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Die Pforten Des Hades

Die Pforten Des Hades

Titel: Die Pforten Des Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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und versuchte verzweifelt, über ihn auf den Steg zu klettern. Wir kämpften beide strampelnd. Salz biß in meine Augen, und als ich den Mund öffnete, saugte ich einen brennenden Schluck Salzwasser ein. Blindlings schlug ich nach meinem Angreifer.
    Vermutlich ahnte er, daß ich uns, wenn er den Kampf mit mir aufnahm, nur beide in den Tod zerren würde, also riß er sich los und schwamm von dem Steg weg auf das dichtbewachsene Ufer jenseits des Bootshauses zu. Ich klammerte mich an den glitschigen Anlegepfosten und beobachtete, wie er davonglitt wie ein schwerfälliges Seeungeheuer, in die Tiefe gezogen von seiner durchnäßten Kleidung. Die Kapuze auf seinem Kopf tauchte auf und ab, auf und ab. Als er in sicherer Entfernung war, hangelte ich mich auf den Steg und blieb keuchend liegen. Mein Angreifer verschwand im Schatten hinter dem Bootshaus. Ich hörte ihn, ausgleitend und um sich spritzend, ans Ufer klettern und sich einen Weg durch das Unterholz bahnen.
    Dann war die Welt bis auf das Geräusch meines schwer gehenden Atems wieder still. Ich stand auf, berührte meine Stirn und zischte ob des stechenden Schmerzes, konnte jedoch kein Blut fühlen. Mit zitternden Beinen, aber mit klarem Kopf stolperte ich vorwärts.
    Ich hätte mitten in der Nacht nie allein und unbewaffnet zum Bootshaus kommen dürfen; ich hätte Eco mitbringen sollen sowie eine Lampe und ein gutes, scharfes Messer, doch dafür war es jetzt zu spät. Ich fischte das Ruder aus dem Wasser, um es im Notfall als Waffe zu benutzen, und eilte zurück zum Pfad. Der Aufstieg war beschwerlich und steil, doch ich rannte den ganzen Weg bis nach oben, wobei ich in jede schattige Ecke starrte und das Ruder gegen unsichtbare Mörder schwenkte, die mir dort möglicherweise auflauerten. Schließlich erreichte ich die Treppe, dann die gepflasterte Rampe und zuletzt die Terrasse, auf der ich mich endlich sicher fühlte. Ich blieb lange dort stehen, um zu Atem zu kommen, bis ich die Kälte durch meine nasse Tunika zu spüren begann. Ich eilte, noch immer zitternd und das Ruder tragend, durch das dunkle Haus, bis ich mein Zimmer erreicht hatte.
    Ich trat ein und schloß die Tür hinter mir. Eco schnarchte friedlich. Ich streckte die Hand aus und berührte die Strähne seines weichen Haars, die ihm in die Stirn gefallen war. Plötzlich empfand ich eine große Zärtlichkeit für ihn, eine Sehnsucht, ihn zu beschützen - doch vor wem oder was? Mir war jedoch vor allem kalt und klamm, und ich war so müde, daß ich kaum noch einen Schritt tun oder einen weiteren Gedanken fassen konnte. Ich streifte meine durchweichte Tunika ab und trocknete mich, so gut es ging, mit einem Laken ab, bevor ich die Decke auf meinem Lager zurückschlug und völlig ermattet in mein Bett sank.
    Etwas Hartes und Spitzes bohrte sich in meinen Rücken, so daß ich sofort wieder aufsprang. Die Überraschungen der Nacht waren noch nicht vorüber.
    Ich starrte auf mein Kissen und konnte nur dunkle Umrisse ausmachen. Nackt, wie ich war, stürzte ich aus dem Zimmer, um vom Flur eine Lampe zu holen. In ihrem grellen Schein betrachtete ich das Objekt, das irgendjemand in meinem Bett deponiert hatte. Es war eine aus einem porösen schwarzen Stein gehauene, groteske kleine Figur mit einem scheußlichen Gesicht. Die Augen waren winzige Scherben aus rotem Glas, die im Licht aufblitzten. Es war ihre scharfe hakenförmige Nase gewesen, die sich in meinen Rücken gebohrt hatte.
    »Hat man je etwas Häßlicheres gesehen?« murmelte ich. Eco gab einen kehligen Laut von sich und drehte sich, fest schlafend, zur Wand. Wie Gelina hätte er eine Prozession tanzender Mädchen mit Zimbeln verschlafen. Ich stellte das kleine Ungeheuer auf die Fensterbank, weil ich nicht wußte, was ich sonst damit tun sollte, und auch zu müde war, weiter darüber nachzudenken.
    Die Lampe setzte ich auf dem Tisch ab und ließ sie brennen, nicht weil ich mich im Hellen sicherer gefühlt hätte, sondern weil ich schlicht zu erschöpft war, sie noch zu löschen. Ich fiel auf mein Bett und schlief auf der Stelle ein. Kurz bevor ich in Morpheus Arme sank, wurde mir schaudernd klar, was das Objekt zu bedeuten hatte, das man in mein Bett gelegt hatte. Ob in freundlicher oder unfreundlicher Absicht, ob als Geschenk, Warnung oder Fluch - es handelte sich um einen Akt der Zauberei. Wir waren am Golf, wo die Erde schweflige Dämpfe ausatmete, die Ureinwohner Erdmagie praktiziert und die kolonisierenden Griechen neue Götter und Orakel gebracht

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