Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
gekommen. Eithne und ihr Raubgesindel sind vor Dego und seinen hundert Mann geflohen. Wer hat euch denn solche Geschichten aufgetischt?«
»Das heißt also, Dego allein hat sie überwältigt und gefangen genommen?«, wollte Fidelma wissen und überging seine Frage.
Ihr Bruder schüttelte den Kopf. »Es hatte Dego überrascht, wie klein die Banditenschar war und wie schlecht bewaffnet. Er argwöhnte, dass ihre Flucht in die Berge eine Kriegslist war, um ihn in eine Falle zu locken. Sein Verdacht verstärkte sich, als er erkannte, dass der Trupp von Eithne angeführt wurde. Ich muss gestehen, mir wäre es ebenso gegangen. Er sandte mir einen Boten und schlug vor, sich mit seinen Leuten in die Falle zu begeben, vorausgesetzt, ich könnte Eithne gleichzeitig mit einer Kompanie von hinten angreifen. Mit diesem Schachzug säße sie selbst in ihrer Falle fest, wenn es denn überhaupt eine war. Brehon Áedo und Abt Ségdae begleiteten mich, als wir mit einer Hundertschaft ausrückten.«
»Ihr wart nur eine Kompanie und nicht ein ganzes Bataillon?« Eadulf wunderte sich. »Und wie viele standen euch auf Eithnes Seite gegenüber?«
»Eigentlich herzlich wenige, und die wenigen flohen, sobald sie unserer kampferprobten Krieger ansichtig wurden. In ähnlicher Weise hatten sie auch anfangs vor Dego und seinen Leuten die Flucht ergriffen.«
»Wie kam es dann aber dazu, dass man berichtet hat, eine große Streitmacht …?«, begann Gelgéis, doch Colgú fiel ihr ins Wort.
»Entweder haben die Leute in ihrer Angst vor den Räubern die Berichte aufgebläht, oder das wurde absichtlich ausgestreut, um Angst und Schrecken zu verbreiten.«
»Demnach ist die gewaltige Armee nichts weiter als ein Gerücht gewesen?«
»Heißt es nicht, ein übles Gerücht macht schneller dieRunde als eine gute Nachricht?«, erwiderte Colgú. »Eine Hundertschaft gut ausgerüsteter Krieger hat gereicht, um die Rebellen zu zerstreuen. Die meisten sind wohl auch allein aus dem Grunde zu dem Haufen gestoßen, weil ihnen fette Beute versprochen wurde. Nur eine Handvoll ihrer Gefolgsleute blieb bis zum Ende bei Eithne. Die hatte sie mit ihrem religiösen Wahn angesteckt.«
»Die hätten doch erkennen müssen, dass sie geistesgestört war«, meinte Eadulf.
»Geistesgestört? Nun ja. Aber sie ist willensstark und auf ein Ziel versessen, kann anderen befehlen und ist grausam und rücksichtslos sowohl Freunden wie Feinden gegenüber. Menschen dieser Art zwingen ihre Anhänger oft zur Gefolgstreue, sei es aus Angst vor ihnen oder aus Habgier. Ihr eigenes Irresein ist ansteckend wie eine Seuche.«
»Man möchte es kaum glauben, dass sie überhaupt Anhänger um sich scharen konnte«, äußerte sich Gelgéis.
»Doch, dazu war sie imstande«, bestätigte Fidelma. »Ich bin ihr mehrfach begegnet und muss ihr zugestehen, sie ist in mancherlei Hinsicht eine erstaunliche Persönlichkeit. Ja, Eithne ist eine Fanatikerin. Sie steht unerschütterlich zu den Lehren des Neuen Glaubens, zu dem sie sich hat bekehren lassen. Ihr Hochmut und ihr Egoismus haben ihre Wahnvorstellungen bedingt. Sie ist zutiefst davon überzeugt, dass nur sie den Schlüssel zur Wahrheit besitzt und dass nur sie allein die Reinheit des Glaubens in diesem Land zu schützen vermag. Immer finden sich gewissenlose Kriecher, die Verkündern falscher Verheißungen nachlaufen, wenn ihnen in Aussicht gestellt wird, wonach viele streben – Reichtum, um sich Macht zu erkaufen.« Da alle schwiegen, fragte Fidelma ihren Bruder: »Wie bist du ihrer habhaft geworden?«
Colgú verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ihr waren nur noch ein paar bedingungslos ergebene Anhänger verblieben. Diejenigen, deren Treuegelöbnis sie erkauft hatte, hatten bereits das Weite gesucht. Und zuvor hatten Dego und seine Krieger schon kurzen Prozess mit ihrer Rotte gemacht, viele waren umgekommen. Ich und meine Kampfschar wurden kaum noch benötigt. Bloß, woher kamen die Gerüchte von großen Schlachten und dass ich mit einem cath, einem ganzen Bataillon von dreitausend Mann, von Cashel ausrücken musste?«
»Drón hat uns die Ereignisse so und nicht anders geschildert«, antwortete ihm Gelgéis.
»Wie war es möglich, dass Aidan dich so schnell gefunden hat?«, fragte Fidelma, die mehr von den eigentlichen Vorgängen hören wollte. »Ich hatte ihn doch nach Cashel geschickt, um dich von Fianamails Vorhaben in Kenntnis zu setzen.«
»Wir waren bereits auf dem Rückweg und führten unsere Gefangene mit. Da trafen wir
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