Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
oder dem König unterhalten wurden, auf deren Gebiet sie lagen. In entsprechenden Gesetzen war festgelegt, dass Reisende in diesen Herbergen versorgt wurden, ohne dass man sie nach ihrem Woher und Wohin befragen oder Bezahlung von ihnen verlangen durfte. Die großen Herbergen stellten sogar Dienstleute an die Zufahrtswege, die Vorüberziehende auf das Gasthaus hinwiesen und die Vorzüge der Bewirtung dort anpriesen. Jeder Wirt war verpflichtet, nach Einbruch der Dunkelheit mindestes eine Laterne an einem hohen Pfosten zu befestigen, damit die Reisenden das Anwesen leichter fanden.
Die kleineren Wirtshäuser waren bescheidene Schenken am Wegesrand, dort zahlte man und wurde gefragt, wer man war und wohin man wollte. Allen Herbergen war eines gemeinsam – sie waren, wie Fidelma sehr wohl wusste, Zufluchtsstätten selbst für Mörder. Jemand, der unter Mordverdacht stand, konnte solange Asyl vor Verhaftung und Bestrafung fordern, bis er vor ein Gericht gestellt wurde, dem ein Brehon vorsaß. Missionare aus Éireann verbreiteten die Kunde von den Gasthäusern in Gallien, Frankia und deutschen Landen. Nach Rom ziehende Pilger fanden hier Unterkunft und Verpflegung.
Zu Fedach Glas’ Herberge gehörten einige aus grob behauenen Baumstämmen gezimmerte Hütten, ein Haupthaus und Pferdeställe. Als sie vor dem Hauptgebäude anhielten, eilte ihnen ein Mann entgegen. Er war grauhaarig, trug einen Vollbart, seine Haut war bleich, die dunklen Augen schienen voller Trauer. Sein Blick glitt über die Pferde und die Kleidung der Reiter, und er begriff sofort, er hatte Gäste von höherem Rang vor sich.
»Ich heiße euch willkommen, edle Dame, und euch, edle Herren. Dies ist kein brugaid-lethech , sondern bloß ein einfaches bruden . Geruhen die Herrschaften hier abzusteigen?«
Damit war in aller Höflichkeit angedeutet, dass Fedach Glas üblicherweise nicht Leute von Rang bewirtete. Gormán antwortete für alle: »Wir beabsichtigen nicht zu bleiben, möchten lediglich kurze Rast machen und uns mit eurem Ale erfrischen.«
Sie stiegen ab und banden die Zügel ihrer Pferde an die Querstange neben der offenen Tür.
Der Wirt, denn das war der Mann, der sie begrüßt hatte, bat sie einzutreten. Sie kamen in einen düsteren, verqualmten Raum. Auf der Herdstelle brannten prasselnd Holzscheite. Aus dem darüberhängenden Kessel duftete es nach Fleisch und Gemüse. Eine ältliche Frau mit schmalem Gesicht rührte mit einer langen Holzkelle in dem Kessel. Über das Haar hatte sie ein Kopftuch gebunden, doch einige graue Strähnen an Stirn und Nacken ließen sich nicht darunter bändigen. Überrascht schaute sie kurz auf, wandte sich jedoch sogleich wieder dem Kessel zu. Der Wirt stellte sich vor den aus dicken Brettern gebauten Schanktisch.
»Seid abermals willkommen, hohe Herrschaften«, begrüßteer sie lächelnd. »Womit kann diese bescheidene Schenke euch dienen?«
Fidelma ergriff das Wort. »Meine Begleiter hätten gern einen erfrischenden Trunk von deinem besten Ale. Mir wäre ein Becher Wein lieb.«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Wein, edle Dame, steht dem Adel und den hohen Geistlichen zu. Wir hier können uns nicht leisten, Wein einzukaufen, denn hochrangige Gäste haben wir höchst selten. Wir können corma bieten oder lind .«
Corma war ein stark alkoholisches Getränk, das aus Gerste gebraut wurde, lind war ein milderes Ale.
Fidelma begriff sofort, welchen Fehler sie begangen hatte, und bestellte: »Dann bring Ale für uns alle.«
Sie setzten sich auf Bänke um einen Tisch und sahen zu, wie der Gastwirt einen Krug mit Ale füllte und ihn ihnen mit vier Tonbechern hinstellte.
»Kann ich euch sonst noch etwas anbieten?«, erkundigte er sich. Er war offensichtlich gewohnt, dass die Gäste sich selbst einschenkten. Gormán übernahm es, die Becher zu füllen.
»Ich vermute, du heißt Fedach Glas«, begann Fidelma das Gespräch.
Dem Mann war recht unbehaglich zumute, er trat von einem Fuß auf den anderen. »Stimmt, so heiße ich.«
»Man hat mir gesagt, wir könnten in der Schenke hier Bruder Ailgesach antreffen. Ich meine den Mönch, der den Gottesdienst in der Kapelle nicht weit von hier versieht.«
Fedach wurde unsicher, zog die Brauen zusammen, warf rasch einen Blick in eine dunkle Ecke der Gaststube und schaute sie an. »Warum sucht ihr gerade den?«, entgegnete er.
Enda schnaufte ungehalten. »Es ist deine Pflicht, Fragenzu beantworten, wenn sie dir eine dálaigh stellt, besonders weil …«
»Besonders
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