Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
nicht.«
»Dann war er auch nicht der Sohn eines frommen Bauern?«, fragte Eadulf mit Nachdruck und ahnte bereits die Antwort.
»Woher hast du diese verkehrte Auskunft? Gewiss nicht von Ailgesach selbst. Er war der Sohn eines Händlers, der von einem Lastkahn seine Waren vertrieb. Der Vater ertrank, als der Sohn noch im Kindesalter war. Man schickte ihn in die Abtei Biorra, wo wir beim Studium zusammen waren. Soviel ich mich erinnern kann, hatte er keinen Vetter Biasta.«
Das zu hören, überraschte Fidelma keineswegs, trotzdem stellte sie noch eine Frage. »Ich vermute, in Durlus Éile gibt es überhaupt niemand, der Biasta heißt?«
»Wir haben dir bereits gesagt, dass keinem von uns dieser Name begegnet ist«, ließ sich Gelgéis gereizt vernehmen, die bislang geschwiegen hatte. Die Nachricht vom Tod Ailgesachs musste ihr nahegegangen sein, sie war sehr blass geworden. »Außerdem, wer von den Éile würde einem Kind einen solchen Namen geben?«
Fidelma zuckte unmerklich zusammen. Sie hatte bislang nicht bemerkt, was dieser Name eigentlich bedeutete; biasta war die Bezeichnung für ein Ungeheuer. Wie dumm von ihr, nicht längst daran gedacht zu haben.
»Du hast gesagt, Bruder Ailgesach ist erst vor kurzem hier gewesen«, nahm sie den Faden wieder auf.
»Bischof Daig hat dir bestätigt, es ist etwa zwei Wochen her, dass er hier war. Warum stellst du all diese Fragen, Fidelma? Hältst du etwas geheim, das wir auch wissen müssten? Schließlich wurde Ailgesach hier geboren. Jetzt sagt ihr, er ist tot – aber an übermäßigem Genuss von Alkohol ist er nicht gestorben. Woran ist er dann gestorben?«
»Du hast recht, hier waltet ein Geheimnis. Gegenwärtig kann ich dir nichts weiter sagen, als dass Bruder Ailgesach im Zustand der Volltrunkenheit erstickt wurde. Die näheren Umstände deuten auf einen Tatverdächtigen, der sich seinen Vetter nannte – auf Bruder Biasta. Deshalb suchen wir ihn.«
Betroffenes Schweigen. Gelgéis starrte Fidelma entsetzt an. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als seien sie plötzlich trocken geworden.
»Warum sucht ihr nach diesem Mann, der Ailgesach getötet haben soll, gerade in Durlus?«
»Die Spur, der wir folgen, wies nach Norden.«
»Dass er von Fraigh Dugh nach Norden geflohen ist, bedeutet noch lange nicht, dass er nach Durlus Éile gekommen ist«, erklärte Gelgéis. »Jeder fremde Mönch, der durch die Stadt wandert oder eine Weile hier bleibt, fällt auf und wird mir gemeldet. So wie wir gestern erfuhren, dass sich zwei Fremde im Ort aufhalten. Einer der Fremdlinge muss Bruder Eadulf gewesen sein, der andere war ein Krieger.«
»Trefflich beobachtet«, murmelte Eadulf mehr zu sich selbst.
»Ich glaube, dass der Mann, der sich Bruder Biasta nennt, sehr wohl hierhergekommen ist.«
»Was macht dich so sicher? Es gibt doch viele andere Wege, die er genommen haben könnte.«
»An bloße Zufälle glaube ich nicht, nur das Walten des Schicksals lasse ich gelten.«
Die Prinzessin der Éile überlegte kurz und schüttelte dann entschieden den Kopf. »Wüsste ich nicht, welchen Ruf du hast, dächte ich, du treibst hier ein Spielchen mit uns und verschwendest unsere Zeit. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass du unsere Gastfreundschaft über Gebühr ausnutzt. Sage deutlich, was du eigentlich willst.«
»Die Lagerschuppen auf der anderen Flussseite, genau gegenüber den Anlegestellen, das sind doch deine, soviel ich gehört habe. Stimmt das?«
»Ich muss nicht verbergen, dass es meine sind.«
»In einem davon befindet sich der Leichnam eines jungen Mannes. Er heißt Enán. Er ist der Sohn des Fährmanns Echna, der weiter südwärts sein Gewerbe betreibt. Er ist in deinem Lagerhaus ermordet worden.«
Die Nachricht saß, sie machte die Prinzessin betroffen. Auch Daig war hochgeschreckt.
»Woher willst du das wissen?«, fragte Spealáin, der besorgt näher getreten war.
»Weil ich selbst dort beinahe getötet wurde. Gleich erzähle ich euch mehr davon. Doch sag mir zuvor, wann habt ihr die Gebäude dort zum letzten Mal benutzt?«
Gelgéis warf ihrem Hofmeister einen Blick zu, und der antwortete für sie. »In diesem Sommer haben wir sie nicht genutzt. Die Ernte ist nicht gerade üppig ausgefallen. Genau genommen, haben wir sie schon ein Jahr lang nicht in Gebrauch.«
»Und niemandem sonst war es erlaubt, sie inzwischen zu nutzen?«
»Natürlich nicht.«
»Dann will ich nicht länger verschweigen, wie ich Kenntnis von diesem Vorfall erhielt.«
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