Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
bei ihr. Schweigend geleitete sie sie zu einer Tür hinter dem Baderaum, von der eine andere Wendeltreppe nach unten führte. Und schon wieder begaben sie sich in das unterirdische Tunnelgewirr der Festung. Eadulf wundertesich, dass sie von niemandem gehört wurden. Die Erbauer der Festung mussten ein Faible für stockdunkle Gänge gehabt haben. Das Mädchen hielt nur einmal kurz inne, um sich eine Fackel zu greifen, und weiter ging es durch eine Vielzahl dunkler Gänge, bis sie vor einer verriegelten Tür aus Holz stehen blieben.
Noch ehe das Mädchen die Tür entriegelte und sie öffnete, ahnte Eadulf vom Geruch her, wohin es dahinter gehen würde.
»Dieser Tunnel hier führt zu einer Stelle unterhalb der nördlichen Mauern der Burg, und da ist überwiegend Sumpf. Bleibt dicht bei mir und auch dicht beieinander, einer hinter dem anderen.«
Nach einer Weile vernahmen sie gedämpftes Wiehern eines Pferdes.
»Keine Angst«, hörten sie Ségnat vor ihnen sagen. »Meine Kameraden haben eure Pferde gesattelt und sie zu dem Eingang dort vorn gebracht.«
Nur noch ein Stückchen weiter, und sie blieb mit hocherhobener Fackel vor einer kleinen Öffnung im Mauerwerk stehen. Sie war gerade groß genug, dass sich ein Mensch hindurchzwängen konnte. Ségnat bückte sich und rief: »Ich bin’s. Alles klar?« Man hörte, wie auf der anderen Seite etwas beiseitebugsiert wurde, und dann antwortete eine männliche Stimme leise. »Alles klar.« Ségnat schob einen nach dem anderen hinaus und folgte als Letzte.
Im Schutz der Festungsmauern traten sie hinaus in die schwarze Nacht. Die Fackel hatte Ségnat im Tunnel gelassen, es gab keinerlei Licht, und man konnte nur hoffen, dass sie kein wachsames Auge erspähte. Sie brauchten eine Weile, um die Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen.Zwei Männer warteten auf sie und hielten gesattelte Pferde an den Zügeln.
Ségnat erteilte ihnen die letzten Ratschläge. »Denkt daran, ihr befindet euch jetzt auf der nördlichen Seite der Festung. Das Gelände ist sumpfig, haltet euch also an die ausgetretenen Pfade. Am besten führt ihr die Pferde bis zu dem Dickicht von Sträuchern und Bäumen dort hinten. Bis dahin ist der Untergrund einigermaßen fest. Dort könnt ihr aufsitzen und reiten. Haltet euch auch dann an die Fährte und reitet so schnell ihr könnt. Wir verlassen uns darauf, dass du deinen Bruder, den König, davon überzeugst, seine Krieger zu schicken und das Nest hier auszuräuchern.«
»Willst du wirklich nicht mit uns kommen?«, fragte Fidelma.
»Wir sind ungefähr hundert Gefangene hier. Die Alten und Kranken sind eingesperrt und damit wertvolle Geiseln. Wir müssen uns also dementsprechend verhalten. Selbstverständlich lassen wir uns nichts zuschulden kommen und bleiben hier, um ihr Leben zu schützen. Wenn wir alle zusammen hier rauskönnten, wäre es etwas anderes.«
Fidelma fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, das Mädchen samt ihren Gefährten zurückzulassen. »Wird Cronán nicht erfahren, dass du uns geholfen hast?«
»Eure Pferde hatte man außerhalb der Burg auf die Koppel gebracht. Uns selbst glaubt man zu dieser Zeit schlafend. Wir wissen also nichts von euch, weder wer ihr seid noch wohin ihr verschwunden seid. Cronán kann zwar sagen, wir würden lügen, aber selbst wenn er uns tötet, hilft ihm das nicht weiter. Alles, was er tut, geschieht aus böser Absicht. Er ist ein teuflischer Kerl. Beherzigt das.«
Silbrig leuchteten am Himmel die Sterne und täuschten ein nahezu lichtes Blau des Himmels vor. Schweigend befestigten sie die Satteltaschen, die Pferde ließen es geduldig geschehen. Dann übergaben die Männer ihnen die Zügel.
Ein letztes Mal drehte sich Fidelma zu Ségnat um und reichte ihr die Hand. »Ich werde dir das nie vergessen, Ségnat«, sagte sie. »Du hast mein Versprechen: Mein Bruder kommt bestimmt und wird diese unheilvolle Stätte vernichten. Nicht lange, und du wirst erleben, dass die Krieger meines Bruders hier einmarschieren und Cronán zur Rechenschaft ziehen.«
»Wir setzen unser ganzes Vertrauen in dich, Fidelma«, erwiderte das Mädchen. »Vergesst nicht, euch zunächst Richtung Norden zu halten. Meidet die deutlichen Abzweigungen nach Westen, denn Cronán wird euch seine Krieger hinterherjagen, und die kennen sich in dem Gelände aus. Gebt auch keinen Laut von euch, solange ihr euch nicht ein beträchtliches Stück von der Festung entfernt habt. Die Wachposten laufen meist auf der Südseite Streife, dort, wo der
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