Die Pforten des Todes - Historischer Kriminalroman
nicht gänzlich allein in dieser Wildnis zu sein.
»Hoho!«
Gormán fuhr bei dem unerwarteten Zuruf herum und hatte sogleich die Hand am Schwert.
Nicht weitab von ihrer Fährte winkte ihnen ein stämmiger Mann von einem kleinen Hügel aus zu. Waffen schien er keine bei sich zu haben, nur einen langen Stab, wie ihn Schafhirten meist trugen, und auch seine Kleidung deutete auf dieses Gewerbe hin. Seine Gesichtszüge verrieten, dass er bei Wind und Wetter draußen war, das dunkle Haar war graumeliert.
Sie blieben stehen und beobachteten, wie der Mann hurtig den Hügel hinunterkletterte, geradezu hüpfte, und dann behände von einem Graspolster zum anderen sprang, wohl wissend, wie er den morastigen Stellen auszuweichen hatte. Er brauchte nicht lange und stand schon bald vor ihnen. Er staunte nicht schlecht, als er sah, wie sie gekleidet waren, und er die Wahrzeichen erkannte, die die Krieger um den Hals trugen.
»Ich bitte um Verzeihung, wenn ich euch aufhalte, aber seid ihr auf der Fährte hier einem Reiter begegnet? Einem auf einem kräftigen Ackergaul, nicht auf so einem edlen Tier wie eure.« Er sprach mit dem weichen Akzent, wie er für die Leute vom Land in diesem Gebiet typisch war.
»Wir haben niemand auf der Strecke gesehen«, gab Gormán zur Antwort. »Genau genommen überhaupt keine Pferde, seit wir Liath Mór verlassen haben.« Er biss sich auf die Lippen und blickte schuldbewusst zu Fidelma, hätte er doch weniger leichtfertig mit seiner Auskunft sein müssen.
Und richtig, die Miene des Mannes wurde sofort unfreundlich. »Ihr kommt von Liath Mór?«, vergewisserte er sich.
»Wir sind heute früh von dort aufgebrochen«, bestätigte Gormán zögernd.
Das Gesicht des Fremden verfinsterte sich noch mehr.
»Liath Mór?« Er spuckte verächtlich aus. »Mit Blut wurde der verruchte Ort erbaut, und Blut wird fließen, wenn man ihn dem Erdboden gleichmacht.«
»Was ist dir von der Abtei bekannt?« Fidelma beugte sich zu ihm hinunter.
»Was heißt da Abtei? Und was soll ein armer Schafhirt schon über sie sagen können? Wieso fragst du überhaupt,wenn ihr doch selbst von dort kommt? Nur so viel, ich bin kein Sklave von Cronán Gleann an Ghuail! Ich suche nur mein Pferd, und da ihr es nicht gesehen habt …«
»Warte!«, hielt ihn Fidelma energisch zurück, da sich der Mann zum Gehen gewandt hatte. »Auch wir sind keine Freunde von Cronán. Ich möchte nur wissen, weshalb du zu Fuß bist und dein Pferd suchst. Hat es dich abgeworfen?«
Das Lachen, das der Mann von sich gab, klang mehr wie ein Bellen, und er schüttelte den Kopf.
»Mein Pferd und mich abwerfen? Nie im Leben! Dafür arbeiten wir schon viel zu lange zusammen!«
»Weshalb ist es dann auf und davon?«
»Man hat mir das Pferd einfach vom Feld gestohlen. Ich bin schon seit dem Morgen hinter ihm her.«
Fidelma horchte auf. »Gestohlen, sagst du? Wer?«
»Wenn ich das wüsste! Morgens, es war noch dunkel, da ist es passiert. Meine Hütte liegt da hinten am Weg. Geräusche haben mich geweckt, und als ich rausging, war das Pferd weg. Wie gesagt, es war kein großartiges Pferd, keins von der Sorte, wie ihr sie da habt. Aber es war mein einziges Pferd, ich habe mit ihm mein Feld gepflügt, und es hat mir meinen Karren zum Markt gezogen.«
»Wie heißt du?«
»Canacán, Lady.«
»Du sagst also, jemand hat dir das Pferd vor dem Morgengrauen gestohlen. Wo hast du deinen Hof, Canacán?«
»Nördlich von der Abtei, von hier aus gesehen mehr nach Westen.«
Fidelma sah den Hirten nachdenklich an. Torna war also zu einem Pferd gekommen. Um etwaige Verfolger abzuschütteln, würde er logischerweise nach Osten reiten, daswäre in die entgegengesetzte Richtung von Durlus. Er würde also genau das tun, was auch sie machten – sich in die entgegengesetzte Richtung bewegen, und dann, nachdem er eine irreführende Spur gelegt hatte, in einem Halbbogen wieder umschwenken nach Westen.
»Du hast die Spuren bis hierher verfolgt, gewissermaßen Richtung Osten?«
»Sowie es hell genug war, nahm ich meinen Stab und bin den Spuren nachgegangen. Am Anfang war das einfach. Bis hierher bin ich gekommen. Ich hatte gehofft, der Dieb würde sich in der Gegend nicht so auskennen und im Sumpf nur mühsam vorankommen, so dass ich ihn einholen könnte. Aber nun sind überhaupt keine Spuren mehr zu sehen.«
Fidelma nahm die Auskunft mitfühlend zur Kenntnis. »Wie auch immer, wir müssen weiter. Aber du weißt ja hier Bescheid. Der Weg, der nordöstlich verläuft,
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