Die Philosophen der Rundwelt
und trotzdem sichern, dass ihre Samen – statt denen der Konkurrenten – verbreitet werden (die saftigsten Tomaten waren meistens die von den Pflanzen, die auf den Rieselfeldern angebaut wurden …). Eine über-verpflichtete Banane geht aber der Notwendigkeit aus dem Weg, derlei Feinheiten zu erproben. Indem sie übertreibt, ihre Fähigkeit zur Fortpflanzung völlig verliert und sich darauf verlässt, dass Menschen sie fortpflanzen werden, sichert sie sich einen derart klaren Gewinn, dass kein Konkurrent auch nur in Sichtweite kommt.] Und indem sie sich dem Erbsenzähler-Spiel verweigert, siegt sie auf der ganzen Linie. Was eine sehr religiöse, spirituelle und erhebende Botschaft ist. Und evolutionär guten Sinn ergibt. Was bleibt da noch zu wünschen?
Eigentlich noch eine Menge, denn jetzt wird es allmählich hässlich. Die Gründe jedoch sind bewundernswert. Jede Kultur braucht ihren eigenen »Mach-einen-Menschen-Baukasten«, um der nächsten Generation den Geist einzugeben, der die Kultur in Gang hält – und rekursiv garantiert, dass die nächste Generation dasselbe für die nachfolgenden tut. Rituale passen sehr leicht in solch einen Baukasten, weil es einfach ist, uns von den anderen anhand der Rituale zu unterscheiden, die wir befolgen, die anderen aber nicht.* [* … was derart überwältigend durchgeführt werden kann, dass Leute, die nicht wir sind, überhaupt nichts sind. Siehe die Parodie auf das kaiserliche China – das Achatene Reich – in Echt zauberhaft und auch eine Anzahl von Rundwelt-Kulturen. Die anderen zu sein ist im Vergleich dazu schon ein erheblicher Schritt nach oben.] Es ist auch eine hervorragender Test für die Bereitwilligkeit eines Kindes, kulturelle Normen zu beachten, wenn man darauf besteht, dass es eine ganz gewöhnliche Aufgabe auf eine unnötig genau festgelegte und komplizierte Weise ausführt.
Nun jedoch hat die Priesterschaft ihren ideologischen Fuß in der kulturellen Tür. Rituale brauchen jemanden, der sie organisiert und im Einzelnen festlegt. Jede Bürokratie schafft sich eine Herrschaft, indem sie unnötige Aufgaben erzeugt und dann Leute findet, die sie ausführen. Der entscheidende Punkt ist hierbei, dafür zu sorgen, dass die Mitglieder des Stammes oder des Dorfes oder des Volkes die Normen tatsächlich beachten und die Rituale vollführen. Es muss eine Sanktion geben, um sicherzustellen, dass sie es tun, selbst wenn sie Freigeister sind, die es lieber nicht täten. Da alles auf ein ontisch abgelegtes Konzept gegründet ist, muss der Bezug zur Wirklichkeit durch Glauben ersetzt werden. Je weniger sich ein menschlicher Glaube nachprüfen lässt, umso stärker neigen wir dazu, ihn zu bewahren. Tief im Innern erkennen wir an, dass wegen der Unmöglichkeit einer Überprüfung Ungläubige zwar nicht nachweisen können, dass wir im Unrecht sind, doch wir ebenso nicht beweisen können, Recht zu haben. Da wir wissen , dass wir Recht haben, erzeugt das eine ungeheure Spannung.
Nun beginnen die Grausamkeiten. Religion rutscht über den Rand der Vernunft hinaus, und das Ergebnis sind Gräuel wie die spanische Inquisition. Denken Sie einen Augenblick darüber nach. Die Priesterschaft einer Religion, deren zentrales Credo allumfassende Liebe und Brüderlichkeit waren, wandte systematisch widerwärtigste Foltern, krankhaft und abscheulich, gegen unschuldige Menschen an, die nur eben in unbedeutenden Glaubensfragen anderer Ansicht waren. Das ist ein massiver Widerspruch und bedarf der Erklärung. Waren die Inquisitoren schlechte Menschen, die wissentlich Böses taten?
Einfach göttlich , einer der tiefgründigsten und philosophischsten von den Scheibenwelt-Romanen, untersucht die Rolle des Glaubens in Religionen, und die Scheibenwelt macht ihre Version der spanischen Inquisition durch. Eine Besonderheit ist, dass es auf der Scheibenwelt nicht an Göttern mangelt; freilich haben wenige von ihnen nennenswerte Bedeutung.
Es gibt Milliarden von Göttern. In der Welt wimmelt es praktisch von ihnen. Die meisten sind zu klein, um mit bloßem Auge wahrgenommen zu werden, und sie können nur bei Bakterien auf Verehrung hoffen – die zwar häufig ihre Gebete vergessen, allerdings auch nie große Wunder verlangen.
Die Rede ist von den »geringen Göttern«. Sie sind Geister, die dort spuken, wo sich zwei Ameisenpfade kreuzen. Sie beherrschen die Mikroklimate zwischen den Graswurzeln. Und viele von ihnen kommen nie über dieses Stadium hinaus.
Weil ihnen der Glaube
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