Die Philosophen der Rundwelt
Mühe haben, sich über die Ebenen zu schleppen. Und prompt sterben beide Arten aus.
Dieses Wettrüsten von Creodonten und Titanotherien ist in der Evolutionsgeschichte mindestens fünfmal vorgekommen und hat jedes Mal ungefähr fünf Millionen Jahre gedauert. Es ist ein frappierendes Beispiel für ein emergentes Muster, und die Tatsache, dass es stets auf genau dieselbe Weise abläuft, bestätigt, dass ihm wirklich eine Dynamik zugrunde liegt. Höchstwahrscheinlich würde es jetzt wieder geschehen, wenn nicht der Mensch auf der Szene erschienen wäre, der sowohl den Großkatzen als auch ihrer langsamen Beute gezeigt hat, was eine Harke ist.
Beachten Sie, dass wir diese Muster auf Systemebene »Geschichten« genannt haben, und das sind sie auch. Sie haben eine Fabel und eine konsistente innere Logik; sie haben Anfang und Ende. Es sind Geschichten, weil sie nicht auf eine Beschreibung auf der Ebene der Wesenheiten »zurückgeführt« werden können, das ergäbe eine endlose Seifenoper. »Also, dieses Elektron traf auf jenes Elektron, und die beiden taten sich zusammen und sandten ein Photon aus …«, und das mit leichten Abwandlungen wahrlich unermesslich viele Male wiederholt.
Eine der zentralen Fragen in Bezug auf emergente Dynamik lautet: Was würde geschehen, wenn wir das System unter geringfügig veränderten Bedingungen erneut ablaufen ließen? Würden dieselben Muster hervortreten, oder würden wir etwas völlig anderes erblicken? Wenn die europäische Geschichte vom frühen zwanzigsten Jahrhundert an nochmals abliefe, aber ohne Adolf Hitler, wäre es dann trotzdem zum Zweiten Weltkrieg gekommen, aber auf einem anderen Weg? Oder wäre alles Friede, Freude, Eierkuchen gewesen? Historisch ist das eine Kernfrage. Es besteht kein Zweifel, dass Hitler maßgeblich zum Beginn des Zweiten Weltkriegs beigetragen hat; die tiefer liegende Frage lautet hier, ob er ein Produkt der Politik seiner Zeit war und in seiner Abwesenheit jemand anders ziemlich dasselbe getan hätte oder ob es Hitler war, der die Geschichte formte und einen Krieg begann, während sonst nichts geschehen wäre.
Auf die Gefahr hin, Widerspruch auszulösen, neigen wir zu der Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg eine ziemlich unvermeidliche Folge der politischen Situation in den dreißiger Jahren war, als Deutschland hohe Reparationen für den Ersten Weltkrieg aufgebürdet worden waren, die Züge nicht pünktlich fuhren …, dass also Hitler nur das Medium war, in dem der nationale Kriegswille seinen Ausdruck fand. Doch es ist nicht die Antwort, um die es uns hier geht: es ist die Natur der Frage. Es ist eine »Was wäre, wenn«-Frage, und sie betrifft den historischen Phasenraum. Sie fragt nicht, was geschehen ist, sondern was stattdessen hätte geschehen können.
Dieser Punkt wird in der Scheibenwelt gut verstanden. In Lords und Ladies finden wir die folgende Passage:
Es gibt Paralleluniversen, obgleich sie nicht in dem Sinne »parallel« sind. Sie winden sich umeinander wie das Ergebnis verrückt spielender Webstühle oder ein Geschwader Yossarians* [* Erinnern Sie sich, dass John Yossarian ein Pilot in Joseph Hellers Der Iks-Haken ist.] mit Mittelohrproblemen.
Und sie verzweigen sich. Allerdings nicht immer, und dieser Punkt ist sehr wichtig. Die Universen scheren sich nicht darum, ob man auf einen Schmetterling tritt. Immerhin existieren noch viel mehr Schmetterlinge. Vielleicht bemerken die Götter, wenn ein Sperling fällt, aber sie versuchen nicht, ihn aufzufangen.
Man erschieße den Diktator, um einen Krieg zu verhindern. Aber der Diktator ist nur die Spitze eines brodelnden sozialen Eiterbergs, der Diktatoren hervorbringt. Wenn man einen erschießt, erscheint sofort ein anderer. Soll man ihn ebenfalls umbringen? Warum nicht alle töten und in Polen einmarschieren? In fünfzig, dreißig oder zehn Jahren schlägt die Geschichte wieder ihren ursprünglichen Kurs ein. Sie hat immer ein großes Bewegungsmoment …
Fast immer …
Zur Kreis-Zeit, wenn die Wände zwischen Dies und Das dünner sind, wenn sich Lecks bilden … Dann können Entscheidungen getroffen werden. Dann ist es möglich, das Universum durch ein anderes Bein der allgemein bekannten Hose der Zeit zu schicken.
Diese Art Frage kann in Bezug auf jedes dynamische System gestellt werden, sei es emergent oder nicht; es bedarf jedoch einer besonderen Sichtweise, wenn die Dynamik »sich selbst aus der Bewegung heraus erschafft«. Würde sie, wenn sie abermals abläuft,
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