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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Absicht Seiner Majestät, dem Publikum ein Buch vorzuenthalten, welches den Wissenschaften und den Künsten von großem Nutzen sein kann; vielmehr gilt deren Wachsen und Gedeihen stets die allerhöchste Aufmerksamkeit Seiner Majestät, weshalb Seine Majestät geruht, den Druck der folgenden Bände zu gestatten.«
    Der neue Erlass, mit dem zugleich die Ratsverfügung vom siebenten Februar aufgehoben wurde, war kaum an den Verleger und die Herausgeber der Enzyklopädie ergangen, da kehrten die alten Geister in das Totenhaus in der Rue de la Harpe zurück. Die Druckpressen begannen wieder zu stöhnen und zu kreischen, die Meister und Gesellen zu fluchen, und Le Bréton hatte alle Hände voll zu tun, Papier in ausreichenden Mengen herbeizuschaffen. Um seine Anforderungen an die Qualität zu erfüllen, verarbeitete er ausschließlich Bogen aus Mühlen der Auvergne, die nicht so schnell zu besorgen waren, wie sie nun bedruckt werden sollten.
    »Allerdings ist der Wille Seiner Majestät, dass während des Drucks besagter Bände ein Probeabzug jeden Bogens einem der oben genannten Zensoren vorgelegt wird, um neuerlich durchgesehen und nötigenfalls korrigiert zu werden. Der entsprechende Bogen ist sodann von demjenigen Zensor, der ihn durchgesehen hat, abzuzeichnen und zu paraphieren, und es darf kein Exemplar von diesem Bogen gedruckt und verbreitet werden, sofern dieser nicht auf besagte Weise abgezeichnet und paraphiert wurde.«
    Obwohl der Erlass die weitere Verbreitung der Enzyklopädie unter den Vorbehalt einer schärferen Zensur stellte undaußerdem das Verbot der ersten beiden Bände ausdrücklich bestätigte, war die neue Ratsverfügung eine fürchterliche Niederlage für Pater Radominsky. Der Jesuit war entsetzt. Was ging nur in Ludwig vor, dass er eine solche Entscheidung treffen konnte? Kam sie nicht einer Ermutigung zum Aufruhr gleich? Offenbar hatte der König von Frankreich nichts anderes als röhrende Hirsche und lüsterne Weiber im Kopf. Den Traum, die Enzyklopädie zu übernehmen, musste Radominsky jedenfalls ad acta legen. Ach, hätte dieses verfluchte Souper in Versailles nur nie stattgefunden!
    Der Pater beschwor die Königin, ihren Gemahl zur Rücknahme des Erlasses aufzufordern; er nahm den Kardinal von Paris und die Generalversammlung der französischen Bischöfe ins Gebet, damit sie ihn in seinem Kampf unterstützten; er intervenierte bei Malesherbes und bei der Pompadour – doch seine Bemühungen waren allesamt vergebens. Um seine Niederlage vollkommen zu machen, teilte die Pompadour ihm mit ihrem bezauberndsten Lächeln mit, dass der Anführer der Philosophenbande, Denis Diderot, in Bälde der englischen Royal Society als Kandidat präsentiert werden sollte, und die Académie Française gar erwog, seinen Komplizen d’Alembert in ihre ehrwürdigen Reihen aufzunehmen – in ausdrücklicher Anerkennung seiner Verdienste um die Enzyklopädie.
    Le Bréton aber rieb sich die Hände. Hatte er es nicht gewusst? Große Geschäfte machte man nur mit großen Ideen! Mit ihren wütenden Angriffen hatten die Jesuiten dafür gesorgt, dass die Enzyklopädie im ganzen Land so bekannt war wie die Kathedrale von Notre-Dame. Die Plakate der Bischöfe hingen immer noch an den Hauswänden von Paris: »Mit Schmerzen beobachten wir, geliebte Glaubensbrüder, den unheilvollen Fortschritt, welchen diese so genannte Philosophieverzeichnet. Man begnügt sich nicht länger damit, einzelne Dogmen der christlichen Lehre anzugreifen – nein, man rühmt sich eines universellen Unglaubens, der nichts respektiert und alles in Frage stellt und danach trachtet, unseren heiligen Glauben in seinen Grundfesten zu erschüttern …«
    Wann immer Le Bréton ein zerrissenes oder herabhängendes Plakat in den Straßen sah, wuchtete er seinen massigen Leib aus der Sänfte, um es eigenhändig wieder zu befestigen. Der Skandal hatte die Zahl der Bestellungen in unvorstellbare Höhen getrieben – kein Werbefeldzug hätte größere Wirkung erzeugen können! Für den dritten Band hatten dreitausend-einhundert Subskribenten gezeichnet, fast doppelt so viele wie zu Beginn des Unternehmens. Und was niemand außer dem Verleger wusste: Die ersten zwei Bände waren an die Kunden bereits bis auf das letzte Exemplar ausgeliefert worden, bevor das Verbot in Kraft getreten war – ausgeliefert und bezahlt!

17
     
    Im Palais Poisson herrschte helle Aufregung. Robert, der Leibdiener des Hausherrn, hatte sich über Nacht aus dem Staub gemacht, mit einer

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