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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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muss man zwei Wochen Leidenschaft heucheln, um sich dann jahrelang miteinander zu langweilen.«
    »Ich verlange es nicht für mich, Monsieur, sondern für Alexandrine. Als künftige Herzogin von Picquigny braucht sie eine Familie. Ich gebe Ihnen eine Woche Zeit.«
    Im selben Moment ging die Tür auf. Eilig machte Sophie einen Schritt zurück. Vor ihr stand Madame de Pompadour, so schön wie der lichte Tag. Doch ihre Stirn war umwölkt.
    »Du lauschst an der Tür?«
    »Bitte verzeihen Sie, Madame«, stammelte Sophie. »Ich … ich hatte auf Sie gewartet.«
    »Oh, hast du es dir anders überlegt? Nun, das wäre immerhin erfreulich.«
    »Nein, nein«, erwiderte Sophie erschrocken. »Ich möchte im Dienst von Monsieur bleiben.«
    »So? Was willst du dann? Sprich schon! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«
    Unter dem ungeduldigen Blick der schwarzblauen Augen wurde Sophie immer nervöser.
    »Ich möchte Sie um Hilfe bitten«, brachte sie mühsam hervor. »Weil, ich habe Ihren Brief gelesen.«
    »Ich schreibe täglich mehrere Dutzend Briefe, doch kann ich mich nicht entsinnen, dass je einer davon dir galt.«
    »Ich meine Ihren Brief an Monsieur Diderot.«
    »Wie bitte?«
    »Es … es geht um die Enzyklopädie, das enzyklopädische Wörterbuch.«
    Endlich war es heraus! Vorsichtig hob Sophie die Augen. Die Pompadour schien darauf zu warten, dass sie weitersprach. Also fasste sie sich ein Herz.
    »Ich wollte Sie bitten, ob Sie … ob Sie sich vielleicht Ihr Urteil noch einmal überlegen könnten. Sie dürfen nicht zulassen, dass man das Wörterbuch verbrennt!«
    »Und warum nicht?« Das Gesicht der Pompadour zeigte für einen Moment Verwunderung und Amüsement. »Kannst du mir das verraten?«
    Sophie konnte es nicht. Was sollte sie erwidern? Dass es in der Enzyklopädie um das Glück der Menschheit ging? Um die Zukunft Frankreichs und der Welt?
    Schneller, als sie denken konnte, sagte sie: »Weil ich Monsieur Diderot liebe.«
    »Ach,
so
ist das«, sagte die Pompadour, während Sophie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. »Ist er also der Mann, dem dein Herz gehört?«
    Sophie nickte.
    »Und ich habe mich bereits gefragt, seit wann Zofen sich mit philosophischen Problemen befassen.« Dann wurde das Gesicht der Pompadour wieder ernst. »Wie dem auch sei –du kennst meine Entscheidung. Ich habe ihr nichts hinzuzufügen.«
    Sie wandte sich zum Gehen.
    »Gibt es denn keine Möglichkeit, dass Sie sie ändern?«, fragte Sophie verzweifelt.
    »Warum sollte ich?«
    »Weil – Monsieur Diderot hat alles für dieses Wörterbuch geopfert, sein ganzes Wissen, seine ganze Kraft.« Sophie stockte, dann fügte sie hinzu: »Die Enzyklopädie bedeutet ihm mehr als sein Leben. Wenn Sie das Buch verbieten, ist es wie ein Todesurteil.«
    Die Pompadour zuckte die Schultern. »Tut mir Leid. Aber die Sache ist entschieden«, erklärte sie und ließ Sophie stehen.
    Robert, der stumm neben dem Portal gewartet hatte, öffnete die Flügeltür, während ein Lakai der Marquise sich beeilte, seiner Herrin hinaus auf die Freitreppe zu folgen.
    »Oder, das heißt …« Die Pompadour hatte bereits die Tür erreicht, als sie sich noch einmal umdrehte. »Vielleicht gibt es doch eine Möglichkeit.«
    Ein kleiner Funke Hoffnung erwachte in Sophie.
    »Bitte sagen Sie, was ich tun muss. Ich bin zu allem bereit. Was immer Sie verlangen.«
    »Was immer ich verlange? Wirklich?«
    »Ja, Madame. Wenn Sie nur Ihr Urteil aufheben.«
    »Nun gut. Du hast es selbst in der Hand.« Die Pompadour machte einen Schritt zurück in die Halle. »Wenn du mein Angebot annimmst und mit mir kommst, will ich mir die Sache noch einmal überlegen. Und ich verspreche dir, du wirst mit dem Ergebnis zufrieden sein.«
    Sophie begriff nicht sogleich. »Mitkommen? Wohin?« Dannsah sie das Zwinkern im Gesicht der anderen. »Sie meinen«, fragte sie entsetzt, »nach Versailles?«
    »Richtig, in mein kleines Lustschloss.«
    Wieder dieser blauschwarze Blick. Plötzlich fühlte Sophie sich wie am Tag ihrer ersten heiligen Kommunion: Wie damals hing alles von ihrer Antwort ab. Doch wie sie sich auch entschied – es würde in beiden Fällen das Falscheste sein, was sie sich nur vorstellen konnte.
    Sie schlug die Augen nieder.
    »Nein«, flüsterte sie. »Das kann ich nicht.«
    »Wie? Du weißt, was du tun musst, um Monsieur Diderot und sein Wörterbuch zu retten, und trotzdem weigerst du dich?« Sophie brachte kein Wort heraus. Ihre Knie waren ganz weich, und der Magen drehte sich ihr um.

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