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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Tafel saß. »Er war dabei, als es passierte.«
    »Majestät hätte sonst einen kapitalen Zwölfender geschossen«, bestätigte Du Bois. »Was für ein fürchterliches Missgeschick!«
    Radominsky glaubte zu bemerken, dass der Jagdaufseher einen kurzen Blick mit der Pompadour wechselte. Hatte er richtig gesehen oder täuschte er sich?
    »Eigentlich ist das ja toll«, sagte der König mit einem Kopfschütteln. »Da benutze ich täglich ein Gewehr, ohne wirklich zu wissen, wie es funktioniert. Ist vielleicht jemand hier am Tisch, der mir erklären kann, warum das Schießpulver schießt?«
    Während die Hofschranzen verlegen schweigend auf ihre Teller blickten, meldete die Pompadour sich zu Wort.
    »Was wollen Sie, Sire? Ist es mit dem Puder, den wir Frauen täglich gebrauchen, etwa anders? Auch wir sind ahnungslos, wie er sich zusammensetzt und seine Wirkung entfaltet.«
    »Oder weiß vielleicht jemand«, fiel die Königin ein, offenbar glücklich, auch einmal etwas sagen zu können, »wie die seidenen Strümpfe gemacht werden, die wir Frauen tragen?«
    Radominsky blickte einmal nach links, einmal nach rechts. Die Pompadour trug ein elegantes Déshabillé, in dem sie großzügig alle Gaben zeigte, mit denen der Schöpfer sie bedacht hatte, während die Toilette der Königin eher andie Kleidung der Bedürftigen erinnerte, für die sie ihre Handarbeiten fertigte. Kein Wunder, dass sie ihrer Rivalin wie ein Papagei nachplapperte.
    »Wie nützlich wäre es doch«, sagte die Pompadour, »wenn man solche Dinge irgendwo nachschlagen könnte.«
    »Allerdings, in der Tat«, stimmte die Königin ihr zu. »Das wäre überaus nützlich.«
    Auch der König nickte mit dem Kopf.
    Während Radominsky sich fragte, was für eine seltsame Komödie das war, die hier vor seinen Augen inszeniert wurde, hob die Pompadour eine Glocke und läutete. Im nächsten Moment ging die Flügeltür auf, und ein Diener trug zwei prächtig eingebundene Bücher herein.
    Radominsky zuckte zusammen. Er hatte keinerlei Zweifel, um was für ein Werk es sich handelte.
    »Dann wollen wir mal sehen«, sagte Ludwig, während der Diener ihm und seiner Frau die Bände reichte.
    Das Königspaar blätterte, las, staunte.
    »Das ist ja unglaublich!«, rief Seine Majestät. »Da steht alles geschrieben: Wie ein Gewehr funktioniert, woraus Puder besteht …«
    »Und wie man Strümpfe wirkt …«, ergänzte seine Gemahlin verzückt.
    »Darf ich darauf hinweisen, dass ähnliche Auskunft auch das Wörterbuch von Trévoux erteilt?«, wandte Radominsky ein. Doch niemand hörte auf ihn. Ganz in die Lektüre versunken, befeuchtete Ludwig die Fingerspitze mit seiner Zunge und blätterte weiter. »Erstaunlich, erstaunlich …« Plötzlich lachte er laut auf.
    »Erlauben Majestät«, fragte die Pompadour, »dass wir an Ihrem Amüsement teilhaben?«
    »Aber mit Vergnügen«, erwiderte er. »Hören Sie, was hier über die Ehe steht: ›An seine Gattin ist man
ge
bunden, mit seiner Geliebten dagegen
ver
bunden.‹ «
    »Wie geistreich!«, gluckste Maria Leszczynska, doch erstarb das Kichern in ihrer Kehle, als sie den innigen Blick sah, den ihr Gatte mit der Pompadour tauschte. »Geistreich – so sagt man doch, nicht wahr?«, wandte sie sich Hilfe suchend an Radominsky.
    Doch bevor der Jesuit antworten konnte, sagte der König: »Was für ein großartiges Werk, ein Magazin der vortrefflichsten Wissenschaften. Und das haben wir wirklich verboten?«
    »Ja, so heißt es«, erwiderte seine Favoritin. »Doch fast möchte ich glauben, Majestät haben es nur konfiszieren lassen, um der einzige Mann im Königreich zu sein, der alles weiß.« Auf ihren Wangen erschienen die zwei reizendsten Grübchen.
    »So wird es wohl gewesen sein.« Ludwig beugte sich über ihre Hand, um sie zu küssen. Als er sich wieder aufrichtete, fiel sein Blick auf Radominsky. »Wahrhaftig, ich weiß nicht, warum man mir so viel Schlechtes von diesem Buch erzählt hat.«
    Der Pater hielt dem königlichen Blick stand. »Weil es Schlechtes enthält«, knurrte er.
    »Mag sein«, erwiderte Ludwig mit einem Lächeln. »Aber soll man den Teil für das Ganze nehmen? Bei dem heutigen Souper kam ein Ragout auf die Tafel, das durchaus misslungen war. Wir haben trotzdem gut gegessen und nicht gleich alles zum Fenster hinausgeworfen. Nicht anders wollen wir mit der Enzyklopädie verfahren.« Er klappte den Band vor sich zu und klatschte in die Hände. »Das Dessert! Worauf wartet ihr noch?«

16
     
    »Es ist keineswegs die

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