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Die Philosophin

Die Philosophin

Titel: Die Philosophin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Ein Nachschlagewerk, das alle möglichen Kenntnisse aus ganz verschiedenen Wissensgebieten in sich vereint – fabelhafte Sache. Hätten Sie Lust, das ins Französische zu übersetzen? Eventuell mit den übrigen Herren hier am Tisch?«
    »Ich kenne die
Cyclopedia«,
erwiderte Diderots Sitznachbar d’Alembert, ein Mann von dreißig Jahren, der mit seiner zarten Statur so unscheinbar wirkte wie ein Handelskommis, tatsächlich aber ein berühmter Mathematiker war. »Ein hochinteressantes Werk, und ein sehr nützliches dazu …«
    »Sind Sie von Sinnen?« D’Alembert sprach noch, da sprang sein Gegenüber vom Tisch auf. »Ich, Jean-Jacques Rousseau, soll ein Buch übersetzen? Mich zum Sklaven eines fremden Autors machen? Noch dazu eines Engländers, der einem schwachsinnigen König huldigt?« Sein Anzug war voller Flecken, seine Perücke saß lose auf dem Kopf, doch funkelten seine Augen, während er mit dem Finger auf den Verleger zeigte, so herrisch wie die eines Generals, der einen Rekruten in die Schranken weist. »Wie können Sie es wagen, mich so zu beleidigen?«
    »Beruhigen Sie sich, Rousseau! Es war nur ein Vorschlag, und er galt eigentlich Ihrem Freund Diderot.«
    »Das ist völlig einerlei!«
    »Außerdem sollen Sie nicht umsonst arbeiten. Ich biete für die Übersetzung eine hübsche Summe Geld.«
    »Was bedeutet Geld?«, schnaubte Rousseau und zog ein Gesicht, als hätte er in ein verdorbenes Stück Fleisch gebissen.
    »Nur das Geld, das man besitzt, ist Mittel zur Freiheit. Das Geld aber, dem man nachjagt, ist ein Mittel zur Knechtschaft!Darum ru-ru-rufe ich Ihnen zu-zu, nehmen Sie Ihr Ge-ge-geld und …«
    Wie ein Bußprediger hatte er die Worte aus sich herausgeschleudert, doch als er ins Stottern geriet, brach seine Rede unvermittelt ab. Jetzt war er nur noch eine einzige beleidigte stumme Anklage. Voller Verachtung strafte er den Verleger mit einem letzten Blick, dann verließ er den Tisch und stampfte zur Tür hinaus.
    »Za-za … zahl du die Rechnung für mich!«, rief er Diderot über die Schulter zu.
    »Was für ein unangenehmer Patron!«, brummte Le Bréton.
    »Behauptet, die ganze Menschheit zu lieben, dabei hält er es mit keinem länger als fünf Minuten aus, ohne sich zu streiten. Doch zurück zu Ihnen, Diderot. Was sagen Sie zu meinem Vorschlag? Wäre der Chambers was für Sie?«
    Diderot zögerte. Er kannte Le Bréton und er kannte das Unternehmen – zwei Gründe, sich in Acht zu nehmen. Schon seit Jahren versuchte der Verleger, die
Cyclopedia
in Frankreich herauszubringen, er versprach sich davon ein großes Geschäft. Dabei hatte er bereits einen Herausgeber, mehrere Geschäftspartner und ein halbes Dutzend Übersetzer verschlissen. Deren Forderungen beantwortete er nicht selten mit dem Stock. Das wusste das ganze »Procope«.
    Diderot schüttelte den Kopf. »Nein, eine Übersetzung interessiert mich nicht.«
    »Unsinn! Sie sind der beste Übersetzer von Paris! Das
Medizinische Wörterbuch
war ein Meisterwerk, ganz zu schweigen von Ihrem Shaftesbury …«
    »Ich will endlich meine eigenen Bücher schreiben.«
    »Wirklich?«, fragte Le Bréton. »Ich biete Ihnen achttausend Livres auf das Manuskript.«
    Diderot zuckte zusammen. »Achttausend?«, wiederholte er wie ein Idiot. Eine solche Summe hatte er sein Lebtag nicht gesehen – geschweige denn verdient.
    »Achttausend«, bestätigte der Verleger. »Die erste Hälfte bei Vertragsabschluss, die zweite bei Fertigstellung.« Er streckte ihm die Hand entgegen »Na los, schlagen Sie ein!«
    Diderot verschränkte die Arme vor der Brust. »Geld interessiert mich nicht«, erwiderte er, doch die Lüge kratzte ihm so heftig in der Kehle, dass er sich räuspern musste.
    »Dann denken Sie an den Ruhm! Ganz Frankreich wird Ihnen für eine Übersetzung des Chambers die Füße küssen.«
    Obwohl es ihn Mühe kostete, hielt Diderot die Arme vor der Brust verschränkt. Durch das Fenster sah er, wie sein Freund um eine Hausecke verschwand. Rousseau schaute sich nicht einmal um. Wenn er von der Richtigkeit seines Weges überzeugt war, konnte keine Macht der Welt ihn davon abbringen. Diderot bewunderte ihn für diese Gradlinigkeit, die weder Anpassung noch Verstrickung kannte.
    »Ich bin Schriftsteller, Monsieur Le Bréton.«
    »Davon bin ich überzeugt! Eben deshalb bitte ich Sie, Ihre Feder Mister Chambers zu leihen. Es ist ja nur für kurze Zeit.«
    »Ich habe viel zu oft und zu lange schon meine Feder fremden Autoren geliehen.«
    »Und wenn ich mein

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