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Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)

Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)

Titel: Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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Tiger konnte ich die Kilometer ebenso leicht zurücklegen. Sicher, ein Tiger war vermutlich auffälliger als eine nackte Frau, aber in der Umgebung von Sawyers Haus geschahen ständig eigenartige Dinge.
    Die Anwohner mieden dieses Gebiet, besonders nachts. Die Navajo sind sehr abergläubisch, sie glauben, nachts seien alle möglichen bösen Geister unterwegs. Und da haben sie vollkommen recht.
    Sawyer war von seinen Leuten verstoßen worden. Er lebte ganz am Rand von Dinetah. Niemand sprach mit ihm oder besuchte ihn. Ich hatte sogar gehört, dass keiner seinen Namen laut aussprach. Jedenfalls brauchte ich mir keine Sorgen zu machen, dass ich zu dieser Nachtzeit auf einen Navajo treffen könnte. Und wenn mich ein Weißer sah, würde er einen Tiger – jedenfalls eher als eine nackte Frau – vermutlich seiner überstrapazierten Fantasie zuschreiben.
    Mein Wagen stand noch genau dort, wo ich ihn zurückgelassen hatte, daneben lagen meine Kleider. Ich stieg erst in die Klamotten, dann in den Wagen, und wenige Augenblicke später hörte ich das tiefe, gleichmäßige Surren der Reifen auf der Straße. Das Geräusch beruhigte mich, und nach und nach fand mein rasend klopfendes Herz wieder in seinen normalen Rhythmus zurück.
    Die Hyänen hatten mir Angst gemacht.
    Nicht nur, dass Hyänen an einem Ort auftauchten, wo keine hingehörten. So etwas war in meiner Welt nichts Ungewöhnliches. Aber dass es so verflucht viele waren! Hätten Sawyer und ich ohne Luthers Zauber eine Chance gehabt, mit dieser Masse fertig zu werden? Wie lange würde es noch dauern, bis ich auf etwas traf, dem ich nicht gewachsen war?
    Winzige Blitze tauchten zu meiner Rechten auf – die Lichter von Sawyers Haus. Ich bog von der Hauptstraße ab und fuhr den unbefestigten Weg entlang. Es war zu dunkel, um alles erkennen zu können, aber was am Ende dieser Straße lag, kannte ich ebenso in- und auswendig wie die Tattoos auf Sawyers Haut.
    Das Haus – ein kleines Farmhaus mit drei Zimmern, Küche und Bad – lag am Fuß des Berges neben einem Hogan, dem traditionellen Wohnhaus der Navajos, das aus Baumstämmen und Erde gebaut wird.
    Dahinter befand sich, eingegraben in den Hügel, eine Schwitzhütte. Dazwischen verlief eine offene Veranda, auf der man, wenn es allzu heiß wurde, essen und schlafen konnte.
    Sawyer lebte die meiste Zeit im Hogan. Er benutzte zwar die Kaffeemaschine in der Küche, aber seine Mahlzeiten kochte er oft über dem offenen Feuer. In diesem Moment loderte eine Flamme zum Himmel auf und warf flackernde Schatten- und Lichtformen auf die beiden Gestalten am Feuer.
    Da Sawyer in den letzten Jahrhunderten fast ausschließlich den traditionellen Lendenschurz der Navajo getragen hatte, war ich überrascht, ihn jetzt in einer Jeans zu sehen. Die langen Haare waren im Nacken mit einem Streifen Rotleder zusammengebunden und gaben den Blick auf sein scharfkantiges Profil frei.
    Luther trug fast die gleiche Kleidung wie damals, als ich ihn kennengelernt hatte. Die Sachen waren nur neuer und um einiges sauberer. Sneakers, Jeans, die ein paar Nummern zu groß waren, ein T-Shirt. Schlicht. Olivgrün. Wie es ein Rekrut bei der Armee in der Grundausbildung tragen würde – und so etwas Ähnliches war er hier auch.
    Er schien etwas zugenommen zu haben. Das war gut. Der Junge war viel zu dünn gewesen. Er war groß, schätzungsweise eins neunzig. Und seine Hände und Füße ließen darauf schließen, dass auch noch der eine oder andere Wachstumsschub zu erwarten war.
    Seine Haut war dunkler als meine, aber heller als Sawyers, die Farbe seiner störrischen Haare bildete eine fantastische Mischung aus Gold und sonnengebleichtem Braun. Die Augen waren von einem hellen Nussbraun, das zu Bernsteingelb wurde, wenn das Tier in ihm zu schnurren begann.
    Ich kletterte aus dem Mietwagen und stellte den Jungen zur Rede. „Ich hatte dir doch gesagt, du solltest weglaufen!“
    Er verdrehte die Augen. „Warum hätte ich denn weglaufen sollen, wenn ich doch gekommen war, um euch zu retten?“
    „Uns zu retten.“ Ich sah zu Sawyer hinüber, der mit den Schultern zuckte. „Wusstest du, dass er … das da, was es auch sein mochte, konnte?“
    Sawyer schüttelte den Kopf.
    „Wer hat dir das beigebracht?“, fragte ich. „Summer?“
    Die Fee hatte sich mit Luther angefreundet, oder zumindest war es umgekehrt. Offenbar hatte der Junge ein Problem mit seltsamen Männern. Das konnte ich ihm nicht verdenken. Schließlich hatte ich seine Vergangenheit mitbekommen:

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