Die Phoenix Chroniken: Blut (German Edition)
verschwamm. Als ich zusammensackte, landete meine Schläfe auf dem Wannenrand, und ich rutschte an der glatten Innenseite entlang, bis ich mit seltsam abgewinkeltem Hals liegen blieb.
Das Wasser, das über meinen Körper floss, wurde zu einem Regenbogen aus Rottönen, von Rotbraun zu Pink, von Pink zu Blütenblattrosa. Mein Herz schlug dumpf, stotterte, setzte fast aus. Und der Regenbogen begann von Neuem. Rotbraun, Pink, Blütenblattrosa.
Ich musste das Messer herausziehen. Solange es in meinem Körper steckte, konnte ich mich nicht heilen. Aber offenbar war ich nicht in der Lage, meine Hand zu heben.
Ich betrachtete die wechselnden Farben des Regenbogens und fragte mich, was wohl als Nächstes passieren würde. Ich konnte nicht sterben, aber ich konnte mich auch nicht heilen.
Und übrigens … Wo war jetzt eigentlich dieser Löwenmann?
Ich hatte schon fast das Bewusstsein verloren, da hörte ich ein entferntes Brüllen, dicht gefolgt von einem Geräusch, das mich gegen die dunklen Flecken vor meinen Augen ankämpfen ließ.
Ein zweites Brüllen, diesmal ein bekanntes.
Luther .
„Nein“, flüsterte ich. Aber wie immer hörte auch jetzt niemand auf mich.
Der Junge war noch nicht bereit dafür. Jemand musste ihm helfen, und der einzige Jemand, der gerade zur Verfügung stand, war ich.
Ich schaffte es, am Wannenrand Halt zu finden, zog mich sogar halb über den Rand, bevor die schwarzen Punkte, die vor meinen Augen tanzten, miteinander verschmolzen und die ganze Welt schwarz wurde. Aber sie blieb nicht lange schwarz.
In den meisten Fällen, in denen ich fast gestorben wäre – ja, das kam ziemlich häufig vor –, wachte ich in den Träumen anderer auf. Diese Fähigkeit nennt man Traumwandern – ich hatte sie von Jimmy.
In dem Bereich zwischen Leben und Tod, dem Ort, an dem die Träume leben, wurde ich schließlich zu den unbewusst schweifenden Gedanken desjenigen geführt, der die Antwort auf meine drängendste Frage bereithielt.
Als ich die Augen öffnete, erwartete ich, dass die Dunkelheit vorüber wäre, aber die Welt war schwarz geblieben. Die Luft war heiß, und mir war so furchtbar kalt. Und irgendetwas roch richtig übel.
Ich versuchte mich aufzusetzen und stieß mit dem Kopf gegen eine sehr niedrige Decke. Dann legte ich mich zurück und tastete mein Gefängnis ab – an den Seiten, über mir, hinter mir. Ich war von festen, satinbezogenen Wänden umgeben, und als ich meine – unangenehm nackten – Zehen ausstreckte, berührten auch sie Satin.
„Hallo?“, schrie ich und stellte überrascht fest, dass ich einen Akzent hatte. Melodisch, tief und fremdartig. Wie seltsam.
Normalerweise landete ich beim Traumwandern im Kopf einer Person und konnte mit ihr sprechen. Ich konnte durch die Gänge ihrer Gedanken streifen und Sachen sehen, die niemandem preisgegeben werden sollten. Zum ersten Mal war ich jetzt wirklich die Person, in deren Traum ich eingedrungen war. Ich konnte allerdings nicht gerade behaupten, dass mir das gefiel.
Ich saß in der Falle. Eingesperrt. Begraben.
Meine Gedanken rasten auf dem schmalen Grat am Rande des Wahnsinns entlang. Ich rammte die Hände gegen die Decke, ein lautes Krachen zerriss die Stille. Erde rieselte auf mein Gesicht.
Erhebe dich . Dieses Wort trieb durch meinen Kopf, wie ein weit entferntes, unheimliches Flüstern. Die Zeit ist gekommen .
Ein plötzliches Beben, das ich unmöglich ignorieren konnte, durchfuhr mich. Vorher hatte ich unbedingt heraus gewollt . Jetzt musste ich.
Ich grub mich nach oben, was eine fast unmögliche Aufgabe war: durch zwei Meter festgestoßenes Erdreich. Meine Nägel brachen ab, die Finger schmerzten, ebenso meine Beine, mit denen ich mich gegen den Untergrund stemmte – was auch immer das war. Mein Herz trommelte einen schnellen und schmerzhaften Rhythmus. Ohren, Nase, Mund und Augen waren voller Erde.
Dieser Trip erinnerte mich an den Abstieg nach Anderswelt, was mich irritierte, denn diese Erinnerung gehörte doch mir, und das hier war … nicht ich. Ich war noch nie zuvor zwei Menschen gewesen. Wenn der Körper, den ich gerade bewohnte, überhaupt einem Menschen gehörte, was ich bezweifelte.
Menschen können nicht von den Toten auferstehen.
Wieder das Flüstern. Das Versprechen wurde erfüllt. Dein Schicksal erwartet dich. Deine Auferstehung .
Ich konnte der Stimme nicht widerstehen. Sie lockte mich vorwärts, und schon bald fand meine Hand den Weg ins Freie.
Die warme, feuchte Luft war für meine viel zu kalte
Weitere Kostenlose Bücher