Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
ausgetauscht habt.“
Ich zog die Nase kraus. „Ehrlich gesagt, haben wir wichtigere Themen, als deine sexuellen Glanzleistungen zu erörtern. Immerhin ist sie eine Dämonenjägerin. Ich bin eine Seherin, und auch wenn ich den letzten Anführer der Dunkelheit ausgeschaltet habe, der nächste sitzt schon in den Startlöchern. Wir müssen unsere Reihen wieder auffüllen, und zwar schnell.“
„Wie?“
„Keine Ahnung.“
„Einige von Ruthies Kindern waren wahrscheinlich als künftige Mitglieder für die Föderation bestimmt. Immer hatte sie die Problemkinder bei sich aufgenommen, die mit zu viel Fantasie, die, die gelogen haben, und die, die nie in einer Familie bleiben konnten, weil um sie herum stets seltsame Dinge vor sich gingen. In der Regel weist das auf übernatürliche Kräfte hin.“
„Diese Kinder sind viel zu jung“, sagte ich.
„Vielleicht bleibt uns aber nichts anderes übrig.“
Entschieden schüttelte ich den Kopf. Kam nicht infrage, dass ich Teenager auf die Dämonenjagd schickte. Nur im Notfall.
Oh Gott, hoffentlich würde es niemals dazu kommen.
„Die Namen, Jimmy.“
Er marschierte aus der Höhle. Ich rannte schleunigst hinterher. Das fehlte mir gerade noch, dass er hier die Biege machte.
Aber er schlug einen anderen, dem Eingang entgegengesetzten, einen steinernen Pfad ein. Nach ungefähr hundert Metern fand ich ihn in einer Höhle, und zwar zusammen mit seiner Tasche, einem brandneuen Schlafsack, einer Feuerstelle, einer Feldküche und noch anderen Hinweisen, dass er dort hauste. Er war schon halb ausgezogen.
„Was tust du da?“
„Ziehe mir trockene Sachen an. Willst du auch welche?“
Ich schüttelte den Kopf, unfähig die Lippen zu bewegen, während er sich das zerlumpte T-Shirt und die Hose auszog. Am ganzen Körper war er wunderschön sonnengebräunt. Beim Anblick seiner Haut wollte ich ihn am liebsten überall lecken … wie eine Eiswaffel.
Scheiße. Ich drehte mich um.
„Du solltest auch die nassen Sachen ausziehen“, rief er.
„Das sagen sie dann immer alle.“
Er lachte. Dieser Klang stimmte mich zuversichtlich. Schon lange vor den Ereignissen in Manhattan hatte ich Jimmy nicht mehr so richtig lachen gehört.
Vor meinem Gesicht tauchte auf einmal ein Blatt Papier auf. Darauf waren alle Namen, Adressen – samt E-Mail-Adressen – zusammen mit den Telefonnummern notiert.
„Danke.“ Ich nahm es ihm ab.
Da jeder Seher mit seiner übersinnlichen Verbindung und seinem Kontingent an Dämonenjägern im Alleingang arbeitete, gab es für den Anführer der Föderation nur sehr selten einen Grund, mit seinen Seherinnen und Sehern in Kontakt zu treten. Laut Ruthie tauchten, sobald die Luft rein war, die Seher bei einem neuen Anführer auf, um ihren Treueid zu schwören.
„Die wohnen da bestimmt nicht mehr“, sagte Jimmy. „Die verstecken sich alle. Ich habe ihre geheimen Identitäten ausgeplaudert.“
„Ausgeplaudert ist wohl kaum das treffende Wort.“
„Nur wegen mir sind sie jetzt alle tot.“
„Alle nicht.“
Er sah mich an.
„Gibst du etwa auf?“, fragte ich. „Willst du dich etwa ins Bett legen und auf den Tod warten?“
Beschämt wich er meinem Blick aus, und da hatte ich ein sehr ungutes Gefühl. „Warum hast du die Namen überhaupt aufgeschrieben?“
Jimmy zuckte die Achseln.
„Du hast nicht damit gerechnet, dass ich hier noch rechtzeitig auftauchen würde.“
„Rechtzeitig wofür?“, fragte er, aber mir konnte er nichts vormachen.
„Rechtzeitig, um mir noch die Namen zu sagen, bevor du dich umbringst.“
„Du bist schon immer ein kluges Mädchen gewesen.“
Seit er seiner dämonischen Seite entkommen war, gab er sich die Schuld an Ruthies Tod und auch an dem aller anderen. Sicher war er es, der ihre Identitäten preisgegeben hatte, aber – ohne es zu wollen. Jimmy hatte Ruthie genauso verehrt wie ich. Wenn er es irgendwie zu verhindern gewusst hätte, hätte er den Bösen ihren Namen nie verraten.
Trotzdem war sie nach wie vor tot – ein Umstand, den er mir oft genug unter die Nase rieb –, und alle Reue dieser Welt würde Ruthie nicht zurückbringen. Selbst wenn Jimmy sich dafür umbrächte.
„Tu es nicht, Jimmy.“
„Ich kann es gar nicht.“ Er klang angewidert. „Nicht, weil ich den Mumm nicht habe, sondern wegen all dem, was ich bin – und wie ich getötet werden muss.“
„Zweimal auf die gleiche Art“, murmelte ich.
„Jedes Mal, wenn ich den ersten Tod hinter mich gebracht habe, verliere ich das Bewusstsein
Weitere Kostenlose Bücher