Die Phrrks
ich muß dir keine Rechenschaft geben. Ich habe dich nicht am Leben gelassen, weil ich einen Beichtvater brauche. Erkläre mir lieber, wie das alles gekommen ist, du behauptest, du bist Meteorologe, mußt es also wissen.«
Wie war es gekommen? Die Experten stritten sich weiter, als ob es noch eine Rolle spielte, was den CRASH ausgelöst hatte. Nur eines war unbestritten, unbestreitbar durch eindeutige Fakten: Der von einigen lange vorhergesagte Treibhauseffekt war eingetreten, die Atmosphäre heizte sich auf, die jährliche Durchschnittstemperatur war zuerst langsam, dann 365
sprunghaft gestiegen, das Eis der Gletscher und Polkappen taute, die Meere stiegen. Was aber hatte letzt-lich den CRASH verursacht? Allein die ungeheure Vermehrung des Kohlendioxyds in der Atmosphäre?
Svante Arrhenius hatte es schon vor hundert Jahren berechnet: Bei einer Verdoppelung des CO2-Gehalts würde die Durchschnittstemperatur auf der Erde um 4,6 Grad steigen, die modernen Computer hatten nichts anderes herausbekommen, und die CO2-Konzentration hatte sich fast verdoppelt durch die Abgase der Industrie, der Autos, durch die Vernichtung der Wälder.
»Weißt du«, sagte Jonas, »die Wälder haben große Mengen des Kohlendioxyds gebunden, aber die Tro-penwälder wurden kahlgeschlagen oder niederge-brannt, in den Industrieländern starb der Wald ›Baye-rischer Wald‹, ‹Böhmerwald‹, ›Schwarzwald‹…. das sind längst nur noch Namen, da steht doch schon lange kein Baum mehr. Wir haben in einem Jahrhundert das über Millionen von Jahren gewachsene Öko-system zerstört…«
»Ich weiß«, sagte sie müde. »Erklär mir lieber, warum man nichts getan hat, um die Luft wieder sauber zu machen.«
»Wie konnte man denn den ›zivilisierten‹ Menschen zumuten, auf all die so ›unentbehrlichen‹ überflüssigen Dinge zu verzichten? Welche Regierung hätte sich denn getraut, in ihrem Land ein Programm 366
der Bescheidenheit zu verkünden?
Konsumsteigerung, Produktionssteigerung, das waren doch Fetische, unsere Götter. Von den Profi-ten gar nicht zu reden.
Selbst die technisch längst mögliche Entgiftung aller Kraftwerke und Fabriken wurde nie ernsthaft betrieben, allen Umweltprogrammen zum Trotz. Diese Kosten! Da hätte man ja auf Panzer, Bomben, Raketen verzichten müssen. Wir haben buchstäblich zum Himmel gestunken. Milliarden von Tonnen Kohlendioxyd ja, höhere Schornsteine wurden gebaut, da sanken die Meßwerte, weil die Schadstoffe sich jetzt über weite Gebiete verteilten. Und in die Höhe; und durch den längeren Aufenthalt in der Atmosphäre entstanden noch giftigere Substanzen. Wer hätte gewagt, den Autoverkehr einzuschränken, ein Tempo-limit auf sechzig…«
»Und jetzt laufen Millionen zu Fuß«, sagte die Contessa. »Um ihr Leben.«
»Der endgültige Auslöser war höchstwahrscheinlich die wachsende Konzentration der Spurengase in der Atmosphäre, die Stickoxide aus den Kunstdüngern, aus dem Kerosin der Düsenflugzeuge, Methan, das beim Brandroden der Wälder freigesetzt wurde, aus den Reisfeldern aufsteigt, aus den Därmen der Kühe ja, lach nur, aber es gab schon zwei Milliarden Kühe auf unserem Planeten. Unser täglich Steak gib uns heute! Vor allem waren es die chlorierten Koh-367
lenwasserstoffe, allen voran Freon und FCKW, die…«
»Ich weiß«, sagte sie, »Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Die Spraydosen, nicht wahr? Aber die wurden verboten.«
»Viel zu spät und nicht überall. FCKW wurde
auch in der Industrie angewandt, zum Aufschäumen von Kunststoffen zum Beispiel, das wurde ebensowenig verboten wie die Verwendung als Kühlmittel in Kühlschränken und Klimaanlagen wer hat die ent-sorgt, wenn sie verschrottet wurden? Ja, es sind nur
›Spuren‹elemente, aber sie regulieren wie ein Ther-mostat die Temperatur in den erdnahen Luftschichten, die wärmeisolierende Wirkung der FCKW ist weitaus größer als angenommen, ein Molekül hat einen Heizeffekt wie zehntausend Moleküle Kohlen-dioxid.«
Es hatte schon eine Weile genieselt, jetzt brach ein Wolkenbruch aus, sie flüchteten ins Haus. Während die Contessa die Haare trocknete, blickte Jonas sich um. Eine merkwürdige Behausung für das 21. Jahrhundert, dachte er. Weder Video noch Soundbox, nicht einmal eine Lampe an der Decke, nur eine Glühbirne, Fenster ohne Scheiben, nackte Steinwän-de und selbstgezimmerte rohe Holzmöbel, Tisch, Bank, ein paar Hocker, eine Pritsche mit verwasche-nen Decken, auf denen PROPRIETA MILITARE
stand. Und der
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