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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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setzten wieder ein. Endlich läutete die Glocke.
    Wieder das Ritual mit dem Auftritt der Contessa.
    Jonas verkniff sich sein Grinsen, als er sah, mit welchem Vertrauen, welcher Hoffnung die anderen zur Contessa hinaufblickten, Augen, die in den hageren Gesichtern unnatürlich groß wirkten.
    Zum Abendessen gab es Milch, Brot und Käse.
    Nicht genug für einen ausgewachsenen Mann, der hart arbeiten mußte, fand Jonas. Aber alle hatten die gleiche Ration bekommen, niemand sah neidisch zum Nachbarn, ob der vielleicht ein größeres Stück Brot erhalten hatte. Das wird eine harte Zeit, dachte Jonas. Immer noch besser, als draußen in einem Treck zu stecken. Oder am Berg zu hängen – er muß-
    te die Contessa bitten, jemand auszuschicken, der William mit einem Gewehrschuß erlöste.
    Nach dem Essen brachte Luigi ihn zu einer Gruppe, die sich um einen der Jünger scharte. Anbetung der heiligen Antonia?
    Oder die Befehlsausgabe für morgen? Nachrich-358
    ten! Der Jünger berichtete, was RADIO ROM gemeldet hatte. Bewegte es sie, war es ihnen gleichgültig, daß nun auch Stockholm völlig aufgegeben war, daß Süditalien in Inseln zerfiel, daß der Gelbe Fluß zu einer Bucht des Chinesischen Meeres ausuferte?
    Ihre Gesichter verrieten es nicht.
    »Wir sind hier in Sicherheit«, schloß der Jünger.
    »Vergeßt das nie!«
    »Das vergessen wir nie«, antworteten alle im Chor. »Gelobt sei Antonia.«
    Ein Stück weiter hatten zwei andere Jünger Zuhö-
    rer um sich versammelt, eine große Gruppe der eine, etwa ein Dutzend der andere.
    »Wonach sind die Gruppen eingeteilt?« erkundigte sich Jonas.
    »Nach den Sprachen.« Luigi sah ihn an, als hätte er von selbst darauf kommen müssen. »Deutsch, Italienisch und Englisch.«
    »Und wie seid ihr sonst organisiert? Wer teilt die Arbeit ein?
    Wer bestimmt…«
    »Hält's Maul, komm!« Luigi führte ihn in eine Scheune, wies ihm einen Platz in einer Ecke, abseits der langen Reihe der Lagerstätten, zu, einen Strohsack, eine Decke, ein Handtuch.
    »Waschen im Stall. Spare mit der Seife, aber reinige dich gründlich, ich werde es kontrollieren.«
    »Ich bin alt genug, mich selbst sauber zu halten«, 359
    murrte Jonas.
    »So ist es bei uns«, erklärte Luigi, »einer hilft dem anderen.
    Auch daß er nichts vergißt.«
    »Schon gut.« Jonas spürte die Anstrengung der vergangenen Tage. Und den kommenden Muskelka-ter. Hoffentlich durfte er sich gleich hinlegen, noch war die Scheune leer, und er haßte Massenquartiere, den Chor der Schnarchenden.
    »Beeil dich«, sagte Luigi. »Die Contessa will dich sprechen.«
    Sie hockte auf einer niedrigen Bank vor ihrem Haus, in der Dunkelheit wirkte sie noch zierlicher, zerbrechlich. Sie war allein und schien unbewaffnet, aber vielleicht stand irgendwo eine Leibwache.
    »Du hast mich rufen lassen, dankeschön.«
    »Wofür bedankst du dich?«
    »Daß du mit mir sprichst. Ich habe begriffen, daß du hier so etwas wie eine Heilige bist, unnahbar.«
    »Ich habe Fragen«, sagte sie. »Viele Fragen. Und es tut mir gut, wieder mal mit einem Erwachsenen zu sprechen. Mit einem von draußen. Weißt du, Heilige können ziemlich einsam sein.«
    »Dieses Arrangement in der Kirche…. ich nehme an, du kennst das Bild von Leonardo?«
    »Klar, aber das war nicht meine Idee.«
    »Und das Bild am Kreuz, deine Mutter?«
    »Meine Großmutter. Ziemlich komisch, was?«
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    »Ein wenig merkwürdig schon. Santa Antonia…
    Darf ich mich setzen? Entschuldige bitte, wenn ich mich mal daneben benehme, ich habe keine Erfahrung mit Heiligen.«
    »Spotte nur«, sagte sie. »Es ist sehr nützlich, wie eine Heilige behandelt zu werden; es erspart manches.«
    »Du bist von hier…«
    »Nicht aus diesem Tal.«
    »Wie kommt es, daß du deutsch sprichst, wir sind hier doch in Italien, nicht wahr?«
    »Ja. Ich bin Tirolerin, zweisprachig aufgewachsen.
    Viele von uns.« Sie lauschte in die Dunkelheit. Jonas vernahm nichts. Er fror, obwohl noch immer drük-kende Wärme herrschte, die Augen drohten ihm zu-zufallen.
    »Bei meinen Sachen waren Tabletten«, sagte er, als die Contessa sich ihm wieder zuwandte. »Ich brauche sie. Bitte.«
    »Bist du krank?« Sie rutschte erschrocken zur Seite.
    »Nein. Aber die Umstellung, der Übergang von der Schwerelosigkeit, verstehst du?« Er war froh, daß sie nicht weiterfragte; der Übergang von der Schwerelosigkeit machte ihm nichts aus, das hatte er oft genug erlebt, trainiert, doch er fühlte die Erschöp-fung nach all den Anstrengungen, und er

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