Die Physiker
Salomo, der Psalmendichter, Salomo, der Sänger des Hohen Liedes!«
MÖBIUS: »Herr Missionar. Ich kenne Salomo von Angesicht zu Angesicht. Er ist nicht mehr der große goldene König, der Sulamith besingt und die Rehzwillinge, die unter Rosen weiden, er hat seinen Purpurmantel von sich geworfen.«
Möbius eilt mit einem Male an der erschrockenen Familie vorbei nach hinten zu seinem Zimmer und reißt die Türe auf.
MÖBIUS: » - nackt und stinkend kauert er in meinem Zimmer als der arme König der Wahrheit, und seine Psalmen sind schrecklich. Hören Sie gut zu, Missionar, Sie lieben Psalmworte, kennen sie alle, lernen Sie auch die auswendig:«
Er ist zum runden Tisch links gegangen, kehrt ihn um, steigt hinein, setzt sich.
-3 0 -
MÖBIUS: »Ein Psalm Salomos, den Weltraumfahrern zu singen. Wir hauten ins Weltall ab. Zu den Wüsten des Monds.
Versanken in ihrem Staub. Lautlos verreckten manche schon da. Doch die meisten verkochten In den Bleidämpfen des Merkurs, lösten sich auf In den Ölpfützen der Venus, und Sogar auf dem Mars fraß uns die Sonne, Donnernd, radioaktiv und gelb.«
FRAU ROSE: »Aber Johann Wilhelm«
MÖBIUS: »Jupiter stank, Ein pfeilschnell rotierender Methanbrei, Hing er so mächtig über uns, Daß wir Ganymed vollkotzten.«
MISSIONAR ROSE: »Herr Möbius«
MÖBIUS: »Saturn bedachten wir mit Flüchen. Was dann weiter kam, nicht der Rede wert: Uranus, Neptun Graugrünlich erfroren, Über Pluto und Transpluto fielen die letzten Unanständigen Witze.«
BUBEN: »Papi – «
MÖBIUS: »Hatten wir doch längst die Sonne mit Sirius verwechselt,
Sirius mit Kanopus,
Abgetrieben, trieben wir in die Tiefen hinauf
Einigen weißen Sternen zu,
Die wir gleichwohl nie erreichten, -«
FRAU ROSE: »Johann Wilhelmlein! Mein liebes Johann Wilhelmlein!«
MÖBIUS: » - Längst schon Mumien in unseren Schiffen Verkrustet von Unrat.«
Die Oberschwester kommt mit Schwester Monika von rechts.
OBERSCHWESTER: »Aber Herr Möbius.«
MÖBIUS: » - In den Fratzen kein Erinnern mehr - An die atmende Erde.«
Er sitzt starr, das Gesicht maskenhaft, im umgekehrten Tisch.
FRAU ROSE: »Johann Wilhelmlein.«
MÖBIUS: »Packt euch nun nach den Marianen fort!«
-3 1 -
DIE BUBEN: »Papi!«
MÖBIUS: »Packt euch fort! Schleunigst! Nach den Marianen!«
Er erhebt sich drohend.
Die Familie Rose ist verwirrt.
OBERSCHWESTER: »Kommt, Frau Rose, kommt, ihr Buben und Herr Missionar. Er muß sich beruhigen, das ist alles.«
MÖBIUS: »Hinaus mit euch! Hinaus!«
OBERSCHWESTER: »Ein leichter Anfall. Schwester Monika wird bei ihm bleiben, wird ihn beruhigen. Ein leichter Anfall.«
MÖBIUS: »Schiebt ab! Für immer! Nach dem Stillen Ozean!«
JÖRG-LUKAS: »Adieu, Papi! Adieu!«
Die Oberschwester führt die bestürzte und weinende Familie nach rechts hinaus. Möbius schreit ihnen hemmungslos nach.
MÖBIUS: »Ich will euch nie mehr sehen! Ihr habt den König Salomo beleidigt! Ihr sollt verflucht sein! Ihr sollt mit den ganzen Marianen im Marianengraben versaufen! Elftausend Meter tief.
Im schwärzesten Loch des Meeres sollt ihr verfaulen, von Gott vergessen und den Menschen!«
SCHWESTER MONIKA: »Wir sind allein. Ihre Familie hört Sie nicht mehr.«
Möbius starrt Schwester Monika verwundert an, scheint sich endlich zu finden.
MÖBIUS: »Ach so, natürlich.«
Schwester Monika schweigt. Er ist etwas verlegen.
MÖBIUS: »Ich war wohl etwas heftig?«
SCHWESTER MONIKA: »Ziemlich.«
MÖBIUS: »Ich mußte die Wahrheit sagen.«
SCHWESTER MONIKA: »Offenbar.«
MÖBIUS: »Ich regte mich auf.«
SCHWESTER MONIKA: »Sie verstellten sich.«
MÖBIUS: »Sie durchschauen mich?«
SCHWESTER MONIKA: »Ich pflege Sie nun zwei Jahre.«
-3 2 -
MÖBIUS (geht auf und ab, bleibt dann stehen) : »Gut. Ich gebe es zu. Ich spielte den Wahnsinnigen.«
SCHWESTER MONIKA: »Weshalb?«
MÖBIUS: »Um von meiner Frau Abschied zu nehmen und von meinen Buben. Abschied für immer.«
SCHWESTER MONIKA: »Auf diese schreckliche Weise ?«
MÖBIUS: »Auf diese humane Weise. Die Vergangenheit löscht man am besten mit einem wahnsinnigen Betragen aus, wenn man sich schon im Irrenhaus befindet: Meine Familie kann mich nun mit gutem Gewissen vergessen. Mein Auftritt hat ihr die Lust genommen, mich noch einmal aufzusuchen. Die Folgen meinerseits sind unwichtig, nur das Leben außerhalb der Anstalt zählt. Verrücktsein kostet. Fünfzehn Jahre zahlte meine gute Lina bestialische Summen, ein Schlußstrich mußte endlich gezogen werden. Der
Weitere Kostenlose Bücher