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Die Physiker

Die Physiker

Titel: Die Physiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Augenblick war günstig. Salomo hat mir offenbart, was zu offenbaren war, das System aller möglichen Erfindungen ist abgeschlossen, die letzten Seiten sind diktiert, und meine Frau hat einen neuen Gatten gefunden, den kreuzbraven Missionar Rose, Sie dürfen beruhigt sein, Schwester Monika. Es ist nun alles in Ordnung. Er will abgehen.«
    SCHWESTER MONIKA: »Sie handeln planmäßig.«
    MÖBIUS: »Ich bin Physiker.« Er wendet sich seinem Zimmer zu.
    SCHWESTER MONIKA: »Herr Möbius.«
    MÖBIUS (bleibt stehen) : »Schwester Monika?«
    SCHWESTER MONIKA: »Ich habe mit Ihnen zu reden.«
    MÖBIUS: »Bitte.«
    SCHWESTER MONIKA: »Es geht um uns beide.«
    MÖBIUS: »Nehmen wir Platz.«
    Sie setzen sich. Sie aufs Sofa, er auf den Sessel links davon.
    SCHWESTER MONIKA: »Auch wir müssen voneinander Abschied nehmen. Auch für immer.«
    MÖBIUS (erschrickt) : »Sie verlassen mich?«
    -3 3 -

    SCHWESTER MONIKA: »Befehl.«
    MÖBIUS: »Was ist geschehen?«
    SCHWESTER MONIKA: »Man versetzt mich ins
    Hauptgebäude. Morgen übernehmen hier Pfleger die Bewachung. Eine Krankenschwester darf diese Villa nicht mehr betreten.«
    MÖBIUS: »Newtons und Einsteins wegen?«
    SCHWESTER MONIKA: »Auf Verlangen des Staatsanwalts.
    Die Chefärztin befürchtete Schwierigkeiten und gab nach.«
    Schweigen.
    MÖBIUS (niedergeschlagen) : »Schwester Monika, ich bin unbeholfen. Ich verlernte es, Gefühle auszudrücken, die Fachsimpeleien mit den beiden Kranken, neben denen ich lebe, sind ja kaum Gespräche zu nennen. Ich bin verstummt, ich fürchte, auch innerlich. Doch Sie sollen wissen, daß für mich alles anders geworden ist, seit ich Sie kenne. Erträglicher. Nun, auch diese Zeit ist vorüber. Zwei Jahre, in denen ich etwas glücklicher war als sonst. Weil ich durch Sie, Schwester Monika, den Mut gefunden habe, meine Abgeschlossenheit und mein Schicksal als - Verrückter - auf mich zu nehmen. Leben Sie wohl.«
    Er steht auf und will ihr die Hand reichen.
    SCHWESTER MONIKA: »Herr Möbius, ich halte Sie nicht für verrückt.«
    MÖBIUS (lacht, setzt sich wieder) : »Ich mich auch nicht. Aber das ändert nichts an meiner Lage. Ich habe das Pech, daß mir der König Salomo erscheint. Es gibt nun einmal nichts Anstößigeres als ein Wunder im Reiche der Wissenschaft.«
    SCHWESTER MONIKA: »Herr Möbius, ich glaube an dieses Wunder.«
    MÖBIUS (starrt sie fassungslos an) : »Sie glauben ?«
    SCHWESTER MONIKA: »An den König Salomo.«
    MÖBIUS: »Daß er mir erscheint ?«
    SCHWESTER MONIKA: »Daß er Ihnen erscheint.«
    -3 4 -

    MÖBIUS: »Jeden Tag, jede Nacht?«
    SCHWESTER MONIKA: »Jeden Tag, jede Nacht.«
    MÖBIUS: »Daß er mir die Geheimnisse der Natur diktiert? Den Zusammenhang aller Dinge? Das System aller möglichen Erfindungen?«
    SCHWESTER MONIKA: »Ich glaube daran. Und wenn Sie erzählten, auch noch der König David erscheine Ihnen mit seinem Hofstaat, würde ich es glauben. Ich weiß einfach, daß Sie nicht krank sind. Ich fühle es.«
    Stille. Dann springt Möbius auf.
    MÖBIUS: »Schwester Monika! Gehen Sie!«
    SCHWESTER MONIKA (bleibt sitzen) : »Ich bleibe.«
    MÖBIUS: »Ich will Sie nie mehr sehen.«
    SCHWESTER MONIKA: »Sie haben mich nötig. Sie haben sonst niemand mehr auf der Welt. Keinen Menschen.«
    MÖBIUS: »Es ist tödlich, an den König Salomo zu glauben.«
    SCHWESTER MONIKA: »Ich liebe Sie.«
    Möbius starrt Schwester Monika ratlos an, setzt sich wieder, Stille.
    MÖBIUS (leise, niedergeschlagen) : »Sie rennen in Ihr Verderben.«
    SCHWESTER MONIKA: »Ich fürchte nicht für mich, ich fürchte für Sie. Newton und Einstein sind gefährlich.«
    MÖBIUS: »Ich komme mit ihnen aus.«
    SCHWESTER MONIKA: »Auch Schwester Dorothea und Schwester Irene kamen mit ihnen aus. Und dann kamen sie um.«
    MÖBIUS: »Schwester Monika. Sie haben mir Ihren Glauben und Ihre Liebe gestanden. Sie zwingen mich, Ihnen nun auch die Wahrheit zu sagen. Ich liebe Sie ebenfalls, Monika.«
    Sie starrt ihn an.
    MÖBIUS: »Mehr als mein Leben. Und darum sind Sie in Gefahr. Weil wir uns lieben.«
    -3 5 -

    Aus Zimmer Nummer 2 kommt Einstein, raucht eine Pfeife.
    EINSTEIN: »Ich bin wieder aufgewacht.«
    SCHWESTER MONIKA: »Aber Herr Professor.«
    EINSTEIN: »Ich erinnerte mich plötzlich.«
    SCHWESTER MONIKA: »Aber Herr Professor.«
    EINSTEIN: »Ich erdrosselte Schwester Irene.«
    SCHWESTER MONIKA: »Denken Sie nicht mehr daran, Herr Professor.«
    EINSTEIN (betrachtet seine Hände) : »Ob ich noch jemals fähig bin, Geige zu spielen?«
    Möbius

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