Die Physiker
vor. »Adolf-Friedrich, dein Ältester.«
Möbius schüttelt ihm die Hand.
MÖBIUS: »Freut mich, Adolf-Friedrich, mein Ältester.«
ADOLF-FRIEDRICH: »Grüß dich, Papi.«
MÖBIUS: »Wie alt bist du denn, Adolf-Friedrich?«
ADOLF-FRIEDRICH: »Sechzehn, Papi.«
MÖBIUS: »Was willst du werden?«
ADOLF-FRIEDRICH: »Pfarrer, Papi.«
MÖBIUS: »Ich erinnere mich. Ich führte dich einmal an der Hand über den Sankt-Josephs-Platz. Die Sonne schien grell, und die Schatten waren wie abgezirkelt.« Wendet sich zum nächsten. »Und du - du bist ?«
-2 7 -
WILFRIED-KASPAR: »Ich heiße Wilfried-Kaspar, Papi.«
MÖBIUS: »Vierzehn?«
WILFRIED-KASPAR: »Fünfzehn. Ich möchte Philosophie studieren.«
MÖBIUS: »Philosophie?«
FRAU ROSE: »Ein besonders frühreifes Kind.«
WILFRIED-KASPAR: »Ich habe Schopenhauer und Nietzsche gelesen.«
FRAU ROSE: »Dein Jüngster, Jörg-Lukas. Vierzehnjährig.«
JÖRG-LUKAS: »Grüß dich, Papi.«
MÖBIUS: »Grüß dich, Jörg-Lukas, mein Jüngster.«
FRAU ROSE: »Er gleicht dir am meisten.«
JÖRG-LUKAS: »Ich will ein Physiker werden, Papi.«
MÖBIUS (starrt seinen Jüngsten erschrocken an) : »Physiker?«
JÖRG-LUKAS: »Jawohl, Papi.«
MÖBIUS: »Das darfst du nicht, Jörg-Lukas. Keinesfalls. Das schlage dir aus dem Kopf. Ich - ich verbiete es dir.«
JÖRG-LUKAS (ist verwirrt) : »Aber du bist doch auch ein Physiker geworden, Papi«
MÖBIUS: »Ich hätte es nie werden dürfen, Jörg-Lukas. Nie. Ich wäre jetzt nicht im Irrenhaus.«
FRAU ROSE: »Aber Johann Wilhelm, das ist doch ein Irrtum.
Du bist in einem Sanatorium, nicht in einem Irrenhaus. Deine Nerven sind einfach angegriffen, das ist alles.«
MÖBIUS (schüttelt den Kopf) : »Nein, Lina. Man hält mich für verrückt. Alle. Auch du. Und auch meine Buben. Weil mir der König Salomo erscheint.«
Alle schweigen verlegen. Frau Rose stellt Missionar Rose vor.
FRAU ROSE: »Hier stelle ich dir Oskar Rose vor, Johann Wilhelm. Meinen Mann. Er ist Missionar.«
MÖBIUS: »Dein Mann? Aber ich bin doch dein Mann.«
FRAU ROSE: »Nicht mehr, Johann Wilhelmlein. Sie errötet. Wir sind doch geschieden.«
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MÖBIUS: »Geschieden?«
FRAU ROSE: »Das weißt du doch.«
MÖBIUS: »Nein.«
FRAU ROSE: »Fräulein Doktor von Zahnd teilte es dir mit.
Ganz bestimmt.«
MÖBIUS: »Möglich.«
FRAU ROSE: »Und dann heiratete ich eben Oskar. Er hat sechs Buben. Er war Pfarrer in Guttannen und hat nun eine Stelle auf den Marianen angenommen.«
MISSIONAR ROSE: »Im Stillen Ozean.«
FRAU ROSE: »Wir schiffen uns übermorgen in Bremen ein.«
Möbius schweigt, die anderen sind verlegen.
FRAU ROSE: »Ja. So ist es eben.«
MÖBIUS (nickt Missionar Rose zu) : »Es freut mich, den neuen Vater meiner Buben kennenzulernen, Herr Missionar.«
MISSIONAR ROSE: »Ich habe sie fest in mein Herz geschlossen, Herr Möbius, alle drei. Gott wird uns helfen, nach dem Psalmwort: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.«
FRAU ROSE: »Oskar kennt alle Psalmen auswendig. Die Psalmen Davids, die Psalmen Salomos.«
MÖBIUS: »Ich bin froh, daß die Buben einen tüchtigen Vater gefunden haben. Ich bin ein ungenügender Vater gewesen.«
FRAU ROSE: »Aber Johann Wilhelmlein.«
MÖBIUS: »Ich gratuliere von ganzem Herzen.«
FRAU ROSE: »Wir müssen bald aufbrechen.«
MÖBIUS: »Nach den Marianen.«
FRAU ROSE: »Abschied voneinander nehmen.«
MÖBIUS: »Für immer.«
FRAU ROSE: »Deine Buben sind bemerkenswert musikalisch, Johann Wilhelm. Sie spielen sehr begabt Blockflöte. Spielt eurem Papi zum Abschied etwas vor, Buben.«
DIE BUBEN: »Jawohl, Mami.«
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Adolf-Friedrich öffnet die Mappe, verteilt die Blockflöten.
FRAU ROSE: »Nimm Platz, Johann Wilhelmlein.«
Möbius nimmt am runden Tisch Platz. Frau Rose und Missionar Rose setzen sich aufs Sofa. Die Buben stellen sich in der Mitte des Salons auf.
JÖRG-LUKAS: »Etwas von Buxtehude.«
ADOLF-FRIEDRICH: »Eins, zwei, drei.«
Die Buben spielen Blockflöte.
FRAU ROSE: »Inniger, Buben, inniger.«
Die Buben spielen inniger. Möbius springt auf.
MÖBIUS: »Lieber nicht! Bitte, lieber nicht!«
Die Buben halten verwirrt inne.«
MÖBIUS: »Spielt nicht weiter. Bitte. Salomo zuliebe. Spielt nicht weiter.«
FRAU ROSE: »Aber Johann Wilhelm!«
MÖBIUS: »Bitte, nicht mehr spielen. Bitte, nicht mehr spielen.
Bitte, bitte.«
MISSIONAR ROSE: »Herr Möbius. Gerade der König Salomo wird sich über das Flötenspiel dieser unschuldigen Knaben freuen. Denken Sie doch:
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