Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
nach dem Wasser und leerte das Glas in einem Zug. Er putzte sich den Mund ab und blickte die anderen durchdringend an. Seine Hand betastete eine schmerzhafte Beule am Hinterkopf.
»Ich meine, es wäre an der Zeit, mich aufzuklären, oder?«
Er blickte erwartungsfroh in die Runde und zündete sich dankbar eine Zigarre an, die Wiegand ihm spendiert hatte. Hellinger räusperte sich, Conny sah sich interessiert den Wiegand’schen Weihnachtsbaum an. Doch dann begann Dr. Wiegand zu sprechen, leise, aber nachdrücklich: »Alles begann damit, dass mein Wohnungsnachbar«, er wies auf Hellinger, »bei Reparaturarbeiten in der Kirche St. Pantaleon einen merkwürdigen Fund gemacht hat ...«
Wiegand erzählte alles, was zu diesem Fall gehörte, jedenfalls fast alles, sachlich und ohne Abschweifungen, ab und zu unterbrochen von Conny oder Hellinger, die einige Details beisteuerten, die dem pensionierten Lehrer wohl entgangen waren. Allerdings unterschlugen sie bei der Aufzählung der Rollen jene beiden, die noch immer im Versteck bei Frau Emmerich schlummerten, aber das schien nicht aufzufallen. Allenstein jedenfalls hörte interessiert zu, machte sich laufend Notizen und zog eifrig an der Zigarre. Er stellte keine Zwischenfragen, selbst, als die Sprache auf den Mord in der Universität kam.
Als der Bericht zu Ende war, herrschte Schweigen. Zigarrenschwaden zogen durch den Raum und mischten sich mit dem sengenden Gestank verbrannten Lammfleisches, was bei Conny Baumeister einen mittleren Hustenanfall verursachte. Sie stand auf und öffnete weit das Fenster. Kühle, regenfeuchte Luft drang in den Raum, sog den Qualm nach draußen.
Allenstein atmete tief ein. Er schien zufrieden. »Das alles werden Sie demnächst vor meinen Kollegen von der Mordkommission wiederholen, ich kann es Ihnen nicht ersparen. Ich werde mich jetzt verabschieden.«
Er tastete wieder nach der Beule am Hinterkopf.
»Guter Treffer übrigens, nur leider am falschen Objekt.« Er lächelte leicht. »Und ein frohes Weihnachtsfest noch!« Sekunden später war er verschwunden.
»Und was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Weihnachtsabend?«, fragte Dr. Wiegand.
Doch ehe jemand antworten konnte, klingelte das Telefon.
Conny Baumeister saß direkt neben dem Apparat, ein Nicken von Dr. Wiegand und sie griff zum Hörer: »Bei Dr. Wiegand.«
Einen Augenblick herrschte Stille. Dann meldete sich eine fremdländische Stimme.
»Wenn Sie Rollen suchen, dann fahren nach Rodenkirchen!«
Die Stimme nannte eine Straße, eine Hausnummer und legte dann unvermittelt auf. Conny war blass geworden, als sie die Worte den beiden Männern übermittelte.
»Das ist eine Falle!«, rief Wiegand erregt aus.
»Unsinn«, widersprach Hellinger. »Warum sollte man uns nach Rodenkirchen locken, wenn die Rollen nicht da wären? Da will uns jemand die Rollen übergeben, damit er sie los ist. Hat wohl ein schlechtes Gewissen, unser seltsamer Mönch. Ich setze mich in mein Auto und fahre hin.«
Obwohl Wiegand und Conny heftig widersprachen, ließ sich Hellinger nicht von seinem Vorhaben abbringen.
»Dann fahren wir eben mit«, seufzte Wiegand resigniert. »Augenblick noch!«
Er ging ins Schlafzimmer und brachte unter einer Lage von Socken und Taschentüchern eine alte Sig-Sauer 9 mm zum Vorschein. »Hat meinem Vater gehört«, murmelte er entschuldigend, »aus Wehrmachtsbeständen. Man weiß nie, wofür es gut ist.«
Conny warf ihm einen erschrockenen Blick zu.
»Mein Gott, Doktor! Was wollen Sie mit der Pistole?«
Aber Wiegand ließ sich nicht beirren.
»Gehen wir!«
***
Seit einer halben Stunde ging die kräftige Gestalt jetzt schon unschlüssig vor dem Haus auf und ab. Das Haus war stockdunkel, und das war ungewöhnlich, denn eigentlich sollte dort gefeiertwerden. Licht, Gläserklang und Musik hätten nach draußen dringen müssen, aber stattdessen herrschte ein unheimliches Dunkel, das ein blasser Mond nur unzureichend erhellte. Und Stille, völlige Stille in jenem kleinen Kölner Vorort, der direkt am Rhein lag. Der Regen hatte aufgehört und war durch einen kalten Westwind ersetzt worden, der eisig durch die feuchte Kleidung drang.
Der Mann gab sich einen Ruck und ging auf das Haus zu. Die Tür war nur angelehnt, was er mit Verwunderung und Misstrauen registrierte. Leise schlich er durch den Hausflur. Er bemerkte einen merkwürdigen Geruch.
»Chef ?«
Keine Antwort. Endlich erreichte er das Wohnzimmer, öffnete vorsichtig die Tür.
»Chef ?«
Wieder keine
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