Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
Syrus an den hochehrwürdigen Präfekten von Judäa, Pontius Pilatus
Ich melde mich vom befohlenen Einsatz zurück und erstatte folgenden Bericht: Der Verdächtige wird Jesus von Nazarethgenannt, obwohl er nach meinen Informationen aus Bethlehem gebürtig ist. Von Beruf ist er Schreiner, Sohn eines gewissen Joseph ben Jacob, Mutter Maria.
Er durchreiste von Cäsarea aus ganz Galiläa und hat eine Schar von Männern und Frauen um sich gesammelt, die ihm willig folgen. Der harte Kern besteht aus zwölf Männern, der Anführer dieser Gruppe ist ein gewisser Simon, ein ehemaliger Fischer vom See Genezareth. Es befinden sich auch viele Frauen in seinem Gefolge, zum Teil von zweifelhafter Herkunft, die den Männern die Wäsche besorgen, Mahlzeiten zubereiten und insgesamt dienstfertig sind.
Wohin der Verdächtige kommt, bringt man Kranke und Sieche zu ihm, die er angeblich heilt. Ich halte dies aber für betrügerische Handlungen, denn niemand kann so kranke Menschen heilen. Der Verdächtige hat dann das Gebiet Galiläas verlassen. In Samaria hat er angeblich zehn Aussätzige geheilt, so erzählt sich das Volk. Es dürfte sich aber um die üblichen Übertreibungen handeln, obwohl die Menschen – ich habe sie selbst gesehen – schon recht krank aussahen. Er ist dann nach Judäa gereist. Auch dort hat er unter starkem Zulauf der Bevölkerung gepredigt und geheilt. So erzählt man sich, er habe in der kleinen Stadt Jericho einen Blinden geheilt, aber gesehen habe ich das nicht und glaube es auch nicht.
In Jerusalem hat der Verdächtige im Tempel großes Aufsehen erregt, weil er Händler und Wechsler, die dort von alters her ihren Sitz haben, mit Gewalt vertrieben hat. Ich stand damals in seiner unmittelbaren Nähe und hörte, wie er sagte, dass die Händler aus seinem Haus eine Räuberhöhle gemacht hätten. Es gab viel Unruhe, aber die jüdischen Oberpriester trauten sich offenbar nicht, ihn zur Rechenschaft zu ziehen, denn die Zahl seiner Anhänger ist groß und wächst ständig. Er verdammt den Reichtum, lobt die Armut und erzählt dem Volk laufend Geschichten, die man nicht versteht. Von den Zeloten und sonstigen Unruhestiftern hält er sich fern und unterlässt auch alles, was gegen uns und unseren Kaiser – die Götter mögen ihn schützen – gerichtet ist. Als er einmal gefragt wurde, ob dem Kaiser Steuer zu zahlen sei, ließ er sich eine Münze geben und fragte: »Welches Bild zeigtdiese Münze?« Man antwortete ihm, dass sie ein Bild des Kaisers zeige. Darauf antwortete er schlau: »So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.« Über die anderen Juden, die Schriftgelehrten und Pharisäer, spricht er häufig schlecht, nennt sie Heuchler und blinde Führer, weshalb er bei ihnen auch nicht gut gelitten ist. Häufig spricht er von einem kommenden Weltgericht, aber was er damit meint, weiß ich nicht.
Ich habe auch die Gelegenheit wahrgenommen, mit einigen seiner auserwählten Anhänger zu sprechen. Einer ist ein blutjunger Mann namens Johannes, der ihm besonders ergeben ist, aber harmlos scheint. Ein anderer, ein Mann aus Iskarioth, namens Judas, verwaltet die Kasse der Gruppe. Er ist aber mit vielem, was sein Meister tut, nicht einverstanden. Auch ein ehemaliger Steuerpächter mit Namen Matthäus hat seinen Dienst aufgegeben und sich diesem Mann angeschlossen. Wie er mir bei einem Becher Wein im Geheimen anvertraut hat, schreibt er Berichte über die Taten seines Meisters, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Ich schwöre bei Mithras, dass es so gewesen ist und ich nur Wahres berichtet habe.
Quintillus Syrus, Centurio, III. Coh.
Ich legte den Bericht beiseite. Der Beobachtete war offensichtlich harmlos, und ich beschloss endgültig, ihm keine weitere Aufmerksamkeit zu widmen. Den Centurio rief ich zurück. Die weiteren Mahnungen des Sanhedrin, etwas zu unternehmen, ignorierte ich. Für mich war die Angelegenheit erledigt. Ich bereitete meinen üblichen Umzug nach Jerusalem vor. Es stand nämlich das große Passahfest der Juden bevor. Zu diesem Zeitpunkt war meine Anwesenheit in Jerusalem jedes Jahr erforderlich, weil es zu diesem Fest oft zu Ausschreitungen kam. Tausende von strenggläubigen Juden strömten dann in ihre alte Hauptstadt, und die Stadt glich einem lodernden Bienenstock. Doch erwartete ich weder Unruhen noch glaubte ich, von jenem Jesus von Nazareth noch einmal zu hören.
Doch ich sollte mich in beidem täuschen!
XXXX.
Kriminalobermeister Allenstein griff hastig
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