Die Pilgergraefin
dass so gar kein Schmuck die Halle verschönerte, um ihr die düstere Aura zu nehmen. Nicht einmal ein einladendes Feuer brannte in dem riesigen Kamin, in dem man wohl einen Ochsen hätte rösten können. In der Burg ihres Vaters hatte ihre Mutter für Behaglichkeit gesorgt, genauso wie sie selbst auf Eschenbronn, wo es indes nicht mehr viel für sie zu tun gegeben hatte, da bereits alles komfortabel eingerichtet gewesen war. Nur hier und da hatte sie noch einige Dinge nach ihrem eigenen Geschmack verändert. Nie zuvor hatte sie sich in einem so unwirtlichen Kastell aufgehalten. Doch immerhin bot es Schutz vor den Unbilden der Witterung. Draußen tobte unvermindert das Gewitter, Blitze waren durch die glaslosen kleinen und hoch in den Wänden eingelassenen Fenster zu sehen. Die Wölfe heulten, und der Donner grollte, als sei das Jüngste Gericht nahe.
Dem Burgherrn schien das Inferno nichts auszumachen. Zwischen zwei Donnerschlägen klatschte er laut in die Hände.
„Sogleich wird das Nachtmahl serviert werden“, verkündete er. „Ich hoffe, es wird Euch munden. Sehr oft verirren sich Besucher nicht hierher, und so ist man in der Küche nicht auf Gäste eingestellt.“
Höflich bekundete Robyn: „Wir danken Euch für Eure Gastfreundschaft, Marchese. Mein Knappe und ich sind froh über den Schutz, den Ihr uns gewährt.“
Trappatino leckte sich über die wulstigen Lippen. „So wohlgestaltete Besucher wie Ihr und Euer Knappe …“, er beugte sich über den Tisch, um Leonor besser in Augenschein nehmen zu können, „… haben noch nie einen Fuß in meine Feste gesetzt. Sagt, Paggio Leon“, schmeichelte er, „wie seid Ihr in die Dienste dieses stattlichen Ritters gekommen?“
Leonor sah den Chevalier fragend an, denn sie hatte kaum ein Wort verstanden. Zwar hatte der Ritter ihr in der kurzen Zeit, die sie miteinander unterwegs waren, ein paar Worte Italienisch beigebracht, aber einer Konversation vermochte sie natürlich nicht zu folgen.
So übernahm Robyn es, für sie zu antworten. „Leon ist der Sohn einer Cousine, deren Wunsch es war, dass ich ihn unter meine Fittiche nehme.“
„Aha.“ Trappatino nickte und wurde einer weiteren Antwort enthoben, da in diesem Augenblick zwei Mägde, die ein großes Brett trugen, die Halle betraten.
Beide Frauen waren schon jenseits der vierzig, wie Leonor feststellte, und zeichneten sich durch grobe Gesichter und schmuddelige Kleidung aus. Die wohl ehemals weißen Hauben waren inzwischen grau und lange nicht mehr gewaschen und geplättet worden, und auf den braunen Kitteln zeigten sich diverse Flecken und Löcher.
Ächzend stellten sie nun ihre Last ab, knicksten unbeholfen und entfernten sich.
Entsetzt schlug Leonor sich die Hand vor den Mund. Von dem Holzbrett grinste sie ein Schweinskopf an, in dessen leeren Augenhöhlen Schmeißfliegen saßen. Sie spürte einen Würgereiz und blickte Hilfe suchend zum Chevalier.
„Fürwahr, Ihr seid ein überaus großzügiger Gastgeber, Marchese“, sagte Robyn, hob den Becher und prostete dem Burgherrn zu. „Ich bin sicher, Ihr habt nur das Beste, was Küche und Keller hergeben, auftischen lassen. Indes muss ich Euch mitteilen, dass mein Knappe und ich, da wir uns gewissermaßen auf einer Wallfahrt befinden, ein Gelübde getan haben: Bis wir am Grab des heiligen Apostels Paulus in Rom knien, werden wir kein Fleisch zu uns nehmen.“
Trappatino verdrehte sein gesundes Auge. Offensichtlich hielt er nicht viel von solch frommem Gebaren. „Nun denn, so will ich Euch Brot und Käse kommen lassen. Und von meinem guten Würzwein. Ich hoffe, Ihr habt kein Gelübde getan, das Euch auch dessen Genuss verbietet.“
Robyn schüttelte den Kopf. „Daran haben wir gar nicht gedacht, Marchese. Doch gewiss würden die Heiligen es wohlwollend betrachten, wenn wir für den Rest des Weges auf Wein und Bier verzichteten“, erwiderte er glatt, denn ihm grauste davor, was für ein Gebräu man ihnen wohl vorsetzen würde.
„Aber nicht heute Abend, da Ihr meine Gäste seid“, protestierte Trappatino. „Ich will mich selbst in die Küche begeben und dafür sorgen, dass Ihr den besten Würzwein bekommt, den Ihr je getrunken habt. Entschuldigt mich, ich bin gleich wieder bei Euch.“ Er warf noch einen gierigen Blick auf den Schweinskopf und verließ die Halle.
Robyn, dem es sehr seltsam vorkam, dass der Burgherr sich persönlich in die Küche begab, statt eine seiner Mägde zu rufen, wandte sich an seinen Knappen. „Leon, mich dünkt,
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