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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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sich bereits zum Gehen gewandt hatte.
    Allerdings fragte Leonor sich, was die Marchesa zu dieser nächtlichen Stunde von ihr wollen könnte. War sie vielleicht in Not und bedurfte der Hilfe? Aber wie sollte sie ihr überhaupt von Nutzen sein, da sie ja nicht einmal die Landessprache beherrschte?
    Die in einen braunen Kittel gehüllte Gestalt, die eine verrutschte Haube auf dem Kopf trug, öffnete eine Tür, die zu einer weiteren Kammer führte.
    Zögernd trat Leonor ein und erblickte im flackernden Licht der Kerze, das unheimliche Schatten an die unverputzten Wände warf, ein breites Bett, in dem jedoch niemand ruhte. Das Gemach war zwar recht geräumig, indes so karg eingerichtet, dass es gewiss nicht die Schlafkammer einer Frau – und erst recht nicht einer adligen Dame – sein konnte.
    Als Leonor schon bereute, der Magd gefolgt zu sein, hörte sie, dass die Tür ins Schloss fiel, und danach ein scharrendes Geräusch: Ein Riegel wurde vorgeschoben. Angstvoll fuhr sie herum – und ein Schrei des Entsetzens entfuhr ihrer Kehle.
    Die wulstigen Lippen zu einem lüsternen Grinsen verzogen, riss die vermeintliche Magd sich die Haube vom Kopf.
    Der Marchese!
    Unter seinen begehrlichen Blicken trat Leonor unwillkürlich einige Schritte zurück, bis sie mit den Kniekehlen gegen die Bettstatt stieß.
    Erneut schrie sie auf. Doch der Chevalier würde sie – selbst wenn er nicht fest schlief – auf diese Entfernung hin wahrscheinlich sowieso nicht hören können.
    Nun griff Trappatino sich an den Ausschnitt seines Kittels, riss den Stoff kraftvoll entzwei und stand nackt vor ihr.
    Oh, Gott, was sollte sie tun?
    Wie konnte sie sich nur dieses Ungeheuers erwehren, wenn Trouville ihr nicht zu Hilfe eilte? Dann fiel ihr ein, dass der Marchese ja auch noch den Riegel vorgeschoben hatte. Wie erstarrt stand sie da, als Trappatino sich ihr langsam näherte.
    „Wir werden viel Spaß miteinander haben, mein Goldjunge.“
    Leonor, die seine Worte nicht verstand, starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Tür. Hilf mir, Chevalier, hilf mir, flehte sie lautlos. Doch keine Rettung nahte.
    Nun hatte der widerwärtige Mann sie fast erreicht. Nur zwei Schritte von ihr entfernt blieb er vor ihr stehen und ließ den Blick begierig über sie gleiten. Schon streckte er die Hand nach ihr aus, fasste den Ausschnitt ihrer Tunika, zerrte daran und stieß sie mit der Linken grob auf die Bettstatt. War sie bis zu diesem Augenblick wie gelähmt vor Angst und Entsetzen gewesen, so begann Leonor sich nun, da der Marchese sich auf sie warf, mit aller Kraft zu wehren. Mit den Fingernägeln fuhr sie ihm durchs Gesicht, doch das schien den Mann nur noch mehr anzustacheln. Auch als sie wild um sich trat und versuchte, ihm ein Knie zwischen die Schenkel zu rammen, entlockte sie ihm nichts als ein barbarisches Lachen. Verzweifelt tastete sie nach ihrem Dolch – ihrer einzigen Waffe. So es ihr nicht gelang, ihren Angreifer mit einem gezielten Stich außer Gefecht zu setzen, war sie verloren.
    Doch noch nie in ihrem Leben hatte sie einem lebenden Wesen körperlichen Schaden zugefügt. Würde es ihr gelingen, in dieser Notlage ihre Hemmschwelle zu überwinden?
    Keuchend lag der Lüstling auf ihr, sie roch seinen widerwärtigen Atem, die Hand noch immer an ihrem Ausschnitt. Da, jetzt hatte sie den Griff des Dolches ertastet, zog ihn im selben Augenblick aus der Scheide, da ihr Peiniger mit einem kräftigen Ruck ihre Tunika und sogar das Unterhemd entzweiriss.
    Im flackernden Licht der Unschlittkerze bot sich Trappatino nunmehr ein Bild, mit dem er nicht gerechnet hatte. Reglos verharrte er einen Moment.
    Leonor nutzte ihre Chance und stieß zu.
    Im gleichen Moment schrie der Marchese, von Schmerz und Enttäuschung gepeinigt: „Ein Weib! Ein Weib!“
    Ein krachendes Geräusch an der Tür verriet, dass sich jemand gewaltsam Eintritt zu der Kammer verschaffen wollte.
    „Du widerliche Kreatur“, krächzte der Marchese und griff sich an den linken Arm, wo Leonors Dolch ihn getroffen hatte. Noch immer schien ihn der Anblick ihrer Brüste so zu verwirren, dass er das Hämmern an der Tür und das Splittern des Holzes gar nicht wahrnahm.
    Leonor versuchte, sich unter dem Gewicht des Mannes wegzurollen. Doch es gelang ihr nicht. Aber nun drang der Lärm an der Tür in ihr Bewusstsein, und sie betete, es möge der Chevalier sein, der mit Gewalt in die Kammer dringen wollte, und nicht ein Bediensteter des Burgherrn, der seinem Herrn zu Hilfe eilen

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