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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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dieser Mann führt nichts Gutes im Schilde. Sei auf der Hut vor ihm!“
    Leonor sah ihn mit großen Augen ängstlich an. Gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, dass sie ja keine schwache Frau, sondern der mutige Knappe eines klugen Ritters war. Sie nickte. „Gewiss, Chevalier, seid ohne Sorge. Ich werde mich schon zur Wehr setzen, wenn …“
    Robyn legte einen Finger an den Mund und deutete auf die Tür, wo in diesem Augenblick der Marchese erschien, in jeder Hand einen großen Humpen. Einen davon platzierte er neben Robyns Essbrett, den anderen vor seinem eigenen. „Der wird Euch munden, Cavaliere, denn er ist recht stark. Für Euren jungen Freund wird die Magd gleich einen milderen Trank bringen. Dann wollen wir alle zusammen anstoßen.“
    Ein heftiger Donnerschlag untermalte seine Worte, und Leonor zuckte unwillkürlich zusammen.
    „Ein wenig schreckhaft, Euer Knappe – fast wie ein Mädchen. Nun ja, er ist ja auch hübsch wie eine Maid. Kein Bartflaum, soweit ich das erkennen kann.“ Er streckte seine feiste Hand aus und strich Leonor, die erneut zusammenzuckte, über die Wange.
    „Mein Neffe …“, Robyn betonte das Wort, um dem Marchese nochmals zu verdeutlichen, dass Leon ein Anverwandter und nicht irgendein Knappe war, „… hatte ein schreckliches Erlebnis bei einem Gewitter. Einer seiner Freunde wurde vom Blitz erschlagen.“
    Obwohl Leonor nur einige Worte des Chevaliers verstanden hatte, war ihr klar, dass ihm eine passende Erklärung eingefallen war. Bewundernd sah sie ihn an.
    Noch einmal tätschelte der Marchese ihr die Wange und kniff sie leicht. „Ah, ich verstehe, mein junger Freund. Das erklärt Eure Furcht. Doch habt keine Angst, hier bei mir seid Ihr sicher.“
    Leonor war die Berührung des Mannes unangenehm, und so zuckte sie wiederum zurück.
    Der Burgherr entfernte seine Hand, und in diesem Augenblick traten auch schon erneut die beiden Mägde ein. Die eine trug ein Brett mit Brot und Käse, die andere einen Humpen, den sie vor Leonor absetzte. Der Marchese schickte die Dienstboten mit einer Handbewegung weg, griff zu seinem Essdolch und begann, sich ein dickes Stück Schweinebacke abzuschneiden. „Wollt Ihr wirklich nicht probieren? Ich versichere Euch, es schmeckt köstlich.“
    Robyn und Leonor schüttelten den Kopf, griffen nach Brot und Käse, die einigermaßen essbar aussahen, und hofften, dass sich keine Maden in dem Käse befanden.
    „Wohlan denn, meine Gäste, so wollen wir endlich unser Spätmahl genießen.“ Trappatino hob seinen Humpen und prostete Robyn und Leonor just in dem Moment zu, in dem ein Blitz den dunklen Himmel durchschnitt, in dessen grellem Licht das Gesicht des Marchese wie eine höllische Fratze wirkte.
    Halb angewidert, halb fasziniert hatten Leonor und Robyn beobachtet, wie der Marchese fast die Hälfte des ekligen Schweinskopfes vertilgt hatte, ohne sich an den Schmeißfliegen zu stören, während sie selbst nur zögerlich Brot und Käse zu sich genommen hatten, ohne jedoch auf Maden zu stoßen. Nun strich Trappatino sich über den feisten Leib und rülpste genussvoll.
    „Meine Herren, wollt Ihr mich kurz entschuldigen. Ich muss den Abtritt aufsuchen. Ich hoffe, der Würzwein hat Euch gemundet.“
    Robyn machte eine Geste der Zufriedenheit und wackelte ein wenig mit dem Kopf, als sei er betrunken. Nachdem der Burgherr die Halle verlassen hatte, wandte er sich eindringlich an Leonor: „Du schläfst heute Nacht in meiner Kammer, in meinem Bett. Zieh dich nicht aus, wir müssen auf der Hut sein.“
    Oje, dachte Leonor, hat das starke Gebräu ihn etwa benebelt? Sie selbst hatte kaum von dem Wein getrunken, aber es war ihr so vorgekommen, als ob Trouville ihm reichlich zugesprochen hätte. Immer wieder hatte er den Humpen gehoben und dem Burgherrn zugeprostet.
    „Was befürchtet Ihr, Sieur?“, fragte sie ängstlich in Erinnerung des Mannes, der sie zuletzt in der dunklen Gasse überfallen hatte.
    „Ich weiß es nicht“, erwiderte Robyn. „Ich habe nur ein ungutes Gefühl und glaube, dass wir gewappnet sein sollten.“
    Sie sollte das Bett mit dem Chevalier teilen? Bei dieser Vorstellung gingen Leonor die unterschiedlichsten Gedanken durch den Kopf. Einerseits war sie irgendwie fasziniert, andererseits verwirrte die Vorstellung sie zutiefst. Aber am meisten ängstigte es sie, er könnte herausfinden, dass sie eine Frau war, und sich dann weigern, die Reise nach Rom mit ihr fortzusetzen. Sie hoffte nur, die Bettstatt würde breit genug sein, sodass

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