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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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ihre Körper sich nicht berührten.
    Leicht torkelnd kehrte nun der Burgherr zurück. „Ich zeige Euch selbst Eure Kammern, denn die Mägde sind bereits in ihre Hütten zurückgekehrt“, verkündete er.
    Robyn fand das seltsam, da die Diener üblicherweise erst dann zu Bett gehen durften, wenn die Herrschaft sie nicht mehr benötigte.
    „Wir brauchen nur eine Kammer, Marchese“, sagte er, wobei er versuchte, seiner Stimme einen lallenden Klang zu verleihen. „Mein Knappe ist es gewohnt, mir Tag und Nacht zu Diensten zu sein.“ Da dies einen sehr doppeldeutigen Sinn hatte, fügte er, Verlegenheit heuchelnd, hinzu: „Ich gestehe es nur ungern, aber ich bin nachtblind, und sollte mich ein menschliches Bedürfnis überkommen, so bedarf ich Leons Hilfe, wenn ich den Abtritt aufsuchen muss.“
    Der Burgherr heuchelte Anteilnahme, ergriff einen Leuchter mit einer Talgkerze und forderte seine Gäste auf: „So folgt mir denn. Ich zeige Euch Eure Kammer.“
    Leonor fand keine Ruhe auf der schmalen Bettstatt, die sie mit dem Chevalier teilen musste. Schon mehrmals hatte sie, während sie sich schlaflos umherwälzte, den schlanken, doch kraftvollen Körper des Ritters berührt und jedes Mal ein seltsames prickelndes Gefühl verspürt. Er hingegen schien tief zu schlafen und wohl doch zu viel von dem Würzwein zu sich genommen zu haben. Bang tastete sie nach dem Dolch, der in der Scheide am Gürtel ihrer Tunika hing. Vor welcher Gefahr hatte der Chevalier sie warnen wollen? Viel zu rauben gab es nicht. Ihr wertvollster Besitz waren die Pferde, die zusammen mit Tarras im Stall der Feste untergebracht waren. Dort befanden sich auch die Satteltaschen mit ihrer Habe. Von seinem Schwert jedoch hatte der Chevalier sich nicht getrennt. Da sie in Männerkleidern steckte, war wohl nicht zu befürchten, dass der Marchese ihr Gewalt antun wollte. Außer er gehörte zu jenen Männern, die den Geboten der Kirche zuwiderhandelten. Und so manchen lüsternen Blick hatte er ihr an der Tafel ja auch zugeworfen. Sie hatte nur vage von solchen Dingen reden gehört, doch sie erinnerte sich nun, dass vor vielen Jahren einmal ein Mann zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt worden war, weil er Umgang mit Knaben gepflegt hatte.
    „Oh, heilige Jungfrau“, flüsterte sie verzagt und griff sich ans Herz. Was sollte sie nur tun, wenn der unheimliche Marchese solche Gelüste hatte und plante, sich über sie herzumachen? Konnte sie mit der Hilfe des Chevaliers rechnen, oder war er zu betrunken, um sie zu verteidigen?
    Da hatte sie schon die Sünde begangen, Männerkleidung anzulegen, um ihre Tugend zu beschützen, und nun sollte dies ganz vergeblich gewesen sein?
    Ohne dass sie es wollte, rollte sie dichter an den Chevalier heran und suchte sich durch die unmittelbare Nähe seines kraftvollen Körpers zu beruhigen. Sie legte einen Arm über seine breite Brust und den Kopf angstvoll an seine Schulter.
    Da, war das etwa ein Seufzer, der seinen Lippen entfloh? Oh nein, er durfte niemals merken, dass sie seine Nähe gesucht hatte. Rasch löste sie sich von ihm und legte sich wieder auf ihre Seite der Bettstatt.
    Ermattet von dem langen, anstrengenden Tag, fiel Leonor endlich in einen leichten Schlummer.
    Ein Knarren ließ Leonor hochfahren. War sie aufgewacht, oder befand sie sich in einem Traum? An der Tür zur Kammer erblickte sie eine Gestalt in Frauenkleidern – eine Magd? Was wollte die zu nächtlicher Stunde hier in ihrer Kammer? Leonor warf einen Blick auf den Chevalier, der fest zu schlafen schien.
    Die Frau hob den Zinnleuchter mit der Unschlittkerze und dann die andere Hand und bedeutete ihr, zu ihr zu kommen.
    Sollte sie der Aufforderung folgen oder lieber den Chevalier wecken? Erneut sah Leonor zu dem Ritter, der fest in Morpheus’ Armen zu ruhen schien. Da es sich bei dem nächtlichen Besucher jedoch um eine Frau handelte, von der ihr keine allzu große Gefahr drohen konnte, ließ sie Trouville schlafen. Vielleicht sollte die Magd sie zu der geheimnisvollen Burgherrin führen, die sich den ganzen Abend über nicht hatte blicken lassen.
    Nun, glücklicherweise bin ich vollständig bekleidet, wie der Chevalier es befohlen hat, dachte Leonor, als sie die Beine über die Kante der Bettstatt schwang. Mit wenigen Schritten erreichte sie die Kammertür und hörte die Magd, die ihr ein weiteres Mal bedeutete, ihr zu folgen, etwas Unverständliches murmeln. Leonor glaubte, das Wort Marchesa verstanden zu haben, und folgte der Dienerin, die

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