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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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den Piraten, die das Mittelmeer unsicher machten, unter einer Decke steckte?
    Seinem Knappen schienen solche Überlegungen fremd zu sein, denn er rief erneut: „Was zögert Ihr, Sieur? Lasst uns die Pferde antreiben und Schutz in dieser Burg suchen. Gewiss wird man uns nicht die Tür weisen.“ Ein Blitz und ein unmittelbar darauf folgender Donnerschlag unterstrichen dessen Worte.
    Leonor trieb ihr Pferd an.
    „Nun gut“, presste Robyn hervor und versetzte, von unguten Vorahnungen erfüllt, Adomar in eine schnellere Gangart. „Möge der Himmel uns beistehen.“
    In diesem Augenblick öffnete derselbe seine Schleusen, sodass es nun auch Robyn das Beste schien, schleunigst den Schutz der wehrhaften Mauern aufzusuchen.

22. KAPITEL
    K ommt, Cavaliere de Trouville und Paggio Leon“, forderte der Burgherr sie auf, nachdem sie sich einander vorgestellt hatten. Mit einem breiten Grinsen bat Marchese Michelangelo di Trappatino seine unerwarteten Gäste in die Halle des Bergfrieds, wo dienstbare Geister den Tisch mit Zinnbechern und Speisebrettern gedeckt hatten.
    Michelangelo … hatte Robyn gedacht, als der Mann seinen Namen nannte. Hat den Namen eines Erzengels und die Visage eines Halunken! Und behauptet dazu noch ein Marchese, also ein Markgraf, zu sein, obwohl er in so einer baufälligen Burg haust. Nun, es ist ja so manches adlige Geschlecht heruntergekommen und verarmt.
    „Nehmt Platz, Cavaliere“, forderte der Marchese Robyn nun auf und warf einen Blick auf dessen Begleiter. „Und dies ist also Euer Knappe Leon. Ihr habt Geschmack, Signore, das muss man Euch zugestehen.“ Leicht irritiert sah Robyn seinen Gastgeber an, als er auf seinem Stuhl Platz nahm. Dann dämmerte ihm, was der Marchese zu glauben schien, und er ermahnte sich zur Vorsicht.
    „Kommt, Paggio Leon“, wandte sich der Burgherr nun an Leonor. „Setzt Euch dorthin.“
    Leonor nahm auf der Sitzbank gegenüber dem Gastgeber Platz und senkte verlegen die Augen, als sie bemerkte, dass der Mann sie unverwandt anstarrte. Vermutete er, dass sie eine Frau war, oder sah sie nach dem wilden Ritt auf der Flucht vor dem Unwetter so mitgenommen aus?
    Auch Robyn, der den Ehrenplatz zur Rechten Trappatinos erhalten hatte, entgingen die ihm eindeutig erscheinenden Blicke des Marchese nicht, und so wandte er sich an den Burgherrn und fragte: „Wird Eure Gemahlin heute Abend nicht Eure Tafel zieren?“
    Trappatino lachte unfroh „Nein, Cavaliere, das wird sie nicht.“ Ein böses Funkeln trat in seine Augen. „Sie verlässt ihre … äh … Gemächer nie.“
    Mit dieser Auskunft ließ Robyn sich indes nicht abspeisen, und so bohrte er weiter: „Es täte mir leid zu hören, dass Eure Gattin unpässlich ist.“
    Kurz riss Trappatino seinen Blick vom Knappen des Ritters los und wandte sich ihm zu. „Nun, es fällt der Marchesa schwer, all die vielen Stufen zu steigen“, erwiderte er ausweichend, wobei ein hässliches Grinsen über sein Gesicht zog.
    Eine Ausrede, dachte Robyn, denn so groß ist diese Burg nicht, und von der Kemenate bis zur Großen Halle dürfte der Weg nicht allzu weit sein. Doch da er vermutete, dass weitere Fragen wahrscheinlich ebenso ausweichend beantwortet werden würden, bohrte er nicht weiter nach, sondern warf einen Blick auf Leon, der auf der anderen Seite der Tafel saß und sich offenkundig unbehaglich fühlte.
    Leonor hob kurz die Lider und erschauderte. An wen nur erinnerte sie dieser finstere Mann, der sie so begehrlich anstarrte? Seine schwarze Tunika, die an den Säumen mit Silberfäden bestickt war, betonte noch seine unnatürliche Blässe. Als sie ihm kurz ins Gesicht sah, bemerkte sie, dass er auf dem rechten Auge blind sein musste. Und da fiel es ihr ein. Der italienische Burgherr erinnerte sie an Kuno von Attenfels, vor dem sie vor so vielen Wochen geflohen war. Hatte Trappatino vielleicht auch eine ebenso schwarze Seele wie der Baron? Oder wirkte er nur so düster, weil seine Burg und die Halle, in der sie nun saßen, eine solch dunkle, Furcht einflößende Aura besaßen? Die wenigen Talgkerzen spendeten lediglich ein spärliches Licht, das die Ecken des Saales im Dunkeln beließ und bedrohliche Schatten auf die aus rohem Stein bestehenden Wände warf, die keine Tapisserie zierte. Nur Waffen aller Art, Schwerter, Hellebarden, Streitäxte, Kampfspieße und Morgensterne hingen an den Mauern.
    Kein Wunder, dass die Burgherrin ihre Kemenate nicht verlässt, dachte Leonor und wunderte sich, dass die Marchesa es zuließ,

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