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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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verstanden, dass diese verwirrt und in erster Linie auf seine Rettung bedacht gewesen waren, damit er sie nach Rom führte.
    Noch immer konnte er nicht glauben, dass Eleonore ganz allein das mächtige Gebirge überwunden haben sollte. Hatte ihr nicht vielleicht schon dort der Ritter zur Seite gestanden – und sie ihm seine Hilfe mit Liebesdiensten vergolten? Indes behauptete sie, ihm erst jenseits der Alpen begegnet zu sein.
    Nun, am Morgen würde er noch einmal mit ihr sprechen und sie, so es angebracht war, um Verzeihung für sein rüdes Verhalten bitten.
    Mit diesem christlichen Gedanken fiel er endlich in einen tiefen Schlaf, der ihn von seinen juckenden Bissen und schmerzenden Gliedern erlöste, aber auch von dem irdischen Jammertal. Denn in dieser Nacht rief Gott der Herr seinen Diener Pater Anselm, der so viele Jahre lang Härten und Fährnisse auf sich genommen hatte, um den Tod seines Bruders zu sühnen, zu sich in sein himmlisches Reich und schenkte seiner gequälten Seele ewigen Frieden.

29. KAPITEL
    M al hoffnungsvoll, dann wieder verzagt, trabte Leonor, immer noch in der Kleidung eines Knappen, auf Maron in der hellen Morgensonne über die Römerstraße gen Ostia, begleitet von Tarras, der offensichtlich fröhlicherer Stimmung war als sie.
    Bereits in der Nacht hatte sie sich entschlossen, in die alte Hafenstadt zu reiten, wo Kapitän Hanns mit seinem Schiff noch einen Tag vor Anker lag, um Robyn und sie mit nach Frankreich zu nehmen. Ihr war klar geworden, dass sie die Trennung, so wie sie vor der Basilika des heiligen Paulus stattgefunden hatte, nicht auf sich beruhen lassen konnte. Sie musste Gewissheit haben! Würde Robyn sie zurückweisen, dann würde er ihr das Herz brechen, und sie stünde ganz allein auf der Welt da, hätte nicht einmal mehr eine Pilgergruppe, die sie nach Freiburg brachte, wo … Ach nein, sie wollte nicht daran denken, was sie dort erwartete …
    Doch wenn sie Robyn nicht gleichgültig wäre und er sie weiterhin mit sich reisen ließe … Sie würde ihm bis ans Ende der Welt folgen. Erneut fragte sie sich: Was hat der Besuch am Grab des Apostel Paulus bewirkt? Hatte sie nun wirklich ihre Schuld getilgt? Alles war so schnell gegangen, eine rechte Andacht aufgrund des Geschiebes und Gedränges nicht aufgekommen. Reichten diese wenigen Augenblicke an der Wallfahrtsstätte, um ihre Schuld zu tilgen? Oder war der Weg der Entbehrungen das Ziel gewesen?
    Oder war alles umsonst gewesen, wie Pater Anselm angedeutet hatte?
    Ach, hätte sie doch ein Zeichen der Vergebung erhalten …
    Bei dem Gedanken an Konrad und ihren kleinen Sohn zog sich ihr schmerzhaft das Herz zusammen. Durfte sie denn hoffen, ein zweites Mal im Leben Liebe und Freude zu finden? War das nicht zu viel verlangt? Hatte der Traum ihr vielleicht bedeuten sollen, dass …? Doch nein, das war reines Wunschdenken.
    Wenigstens hast du Zuneigung im Leben erhalten, sagte sie sich, und du solltest dankbar dafür sein, denn andere haben solches Glück nicht erfahren. Voller Mitleid wanderten ihre Gedanken wieder einmal zu ihrer Cousine Mathilde und ihrem herrschsüchtigen und grausamen Gatten, von dem diese kein einziges Mal Zeichen der Zuneigung erfahren hatte.
    Ach, immer wieder wirbelten ihr dieselben Gedanken und Fragen durch den Sinn, auf die sie keine Antwort fand und die sie so sehr quälten. Trotzdem versuchte sie, sie zu vertreiben – und da schoss ihr eine andere schreckliche Vorstellung durch den Kopf: Was wenn Robyn bereits vor ihr in Ostia angekommen war, und Kapitän Hanns schon die Anker gelichtet hätte?
    Augenblicklich trieb sie ihr Pferd zu einer so schnellen Gangart an, dass Tarras Mühe hatte, ihr zu folgen.
    Auf ihrem Weg nach Ostia war sie zu dieser frühen Stunde bisher nur wenigen Menschen begegnet. Gelegentlich waren ihr Bauern mit Fuhrwerken und Leiterwagen entgegengekommen, die ihre Waren nach Rom bringen wollten. Nun nahm Leonor in der Ferne eine Staubwolke wahr, die darauf hindeutete, dass sich ein Reiter in schnellem Galopp näherte. Schützend legte sie die Hand gegen die gleißenden Strahlen der Morgensonne über die Augen, blinzelte und sah einen Mann auf einem großen schwarzen Pferd – einem Pferd wie Adomar.
    Ach, dachte sie, große schwarze Pferde gibt es viele auf dieser Welt.
    Gewiss ist es nur Wunschdenken …
    Nachdem Robyn kurz nach der Trennung von Leonor im Palazzo der einflussreichen römischen Patrizierfamilie Colonna seine Botschaft überreicht und eine mündliche Antwort an

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