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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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scharfen Schmerz gepeinigt wurde, der ihr durch den Leib fuhr.
    Leonor legte ihr die Hand auf die Schulter. „Willst du wirklich diesen weiten Weg auf dich nehmen? Ich gebe dir Geld, damit kannst du bequem auf einem Fuhrwerk nach Burg Eschenbronn zurückkehren.“
    Entsetzt sah Anna ihre junge Herrin an. „Ihr wollt mich doch nicht etwa loswerden, nachdem ich Euch so viele Jahre treu gedient habe? Und was soll ich auf der Burg, wo nunmehr … verzeiht mir … Euer unerträglicher Schwager herrscht?“
    Leonor schüttelte den Kopf. „Nein, nein, natürlich will ich dich nicht loswerden. Ich dachte nur, du bist ja nun nicht mehr gerade die Jüngste, und so viele Meilen liegen noch vor uns …“
    Fest erwiderte Anna: „Ich bleibe bei Euch und werde Euch – wie ich schon sagte – mit meinem Leben beschützen, so es nottut.“ Sie runzelte die Stirn. „Obwohl, wenn ich’s mir recht überlege, habt wohl eher Ihr und der junge Richard mir das Leben gerettet, als Ihr mich durch den Spalt in der Scheunenwand gezogen habt.“ Sie lächelte und strich sich über den Leib. „Nur gut, dass ich auf dieser Fahrt schon einige Pfunde abgenommen habe. Sonst wäre es Euch wohl kaum gelungen. Habt Dank, liebste Herrin. Ihr habt mir das Leben gerettet.“
    Auch Leonor lächelte. Der Humor ihrer Kammerfrau sowie die Aussicht, in der nächsten Stadt, sie konnte sich an den Namen des Ortes unweit des Schwyzer Herrschaftsterritoriums nicht mehr erinnern, ausruhen zu können, ließen sie kurzzeitig die Strapazen der Wallfahrt vergessen. In der Stadt gebe es ein Kloster, hatte Pater Anselm gesagt und ihnen versprochen, sie würden dort nicht nur einen Ruhetag einlegen, sondern auch sicher eine nahrhafte, stärkende Suppe erhalten sowie ein Nachtlager, das sauber und einigermaßen komfortabel sei.
    Nun, dachte Leonor und hatte dabei ihr Himmelbett und die Mahlzeiten auf Burg Eschenbronn bildhaft vor sich, was Bequemlichkeit und wohlschmeckende Speisen betrifft, so hat der gute Pater Anselm gewiss andere Vorstellungen als ich. Dennoch verlieh ihr der Gedanke an eine warme Mahlzeit und ein festes Dach über dem Kopf neue Kraft, und mit heller Stimme fiel sie in den Gesang der Pilger ein.
    „Wann können wir endlich Rast einlegen, Chevalier? Ein solches Tempo, wie Ihr es vorgebt, bin ich fürwahr nicht gewohnt. Und wie Ihr sehr wohl wisst, bin ich schwer verletzt.“ Jérôme strich sich über die schmerzenden Rippen. „Zudem kann Eure übel riechende Pferdesalbe nur eins, nämlich stinken. Nie werde ich mich so einer Maid nähern können …“
    „Gib endlich Ruhe, Jérôme!“ Robyn warf ihm einen strengen Blick zu. Seit nunmehr zwei Tagen musste er die Klagen seines Knappen ertragen. „Ohne diese Salbe könntest du gar nicht im Sattel sitzen, und ich hätte dich zurück zu deiner Mutter schicken müssen, was dir wohl kaum gefallen dürfte. Denn wenn du als Knappe versagst, wird sie dich in ein Kloster stecken“, drohte er, halb im Scherz, halb im Ernst, da er nur zu gut wusste, dass Jérôme nichts mehr fürchtete als die Aussicht, Mönch werden zu müssen – was er nur allzu gut nachempfinden konnte. Er schaute über die Felder, durch deren Mitte der schmale Weg führte, auf dem sie ritten. Robyn bevorzugte es, auf seinen geheimen Missionen abseits der frequentierteren Straßen zu reiten, auf denen mancherlei Gesindel unterwegs war.
    „Überdies erblicke ich hier weit und breit keine Maid, der du schöne Augen machen könntest“, spottete er gutmütig. „Und an der Vogelscheuche dort hinten wirst du deinen Charme wohl kaum ausprobieren wollen?“
    Gequält verzog Jérôme das Gesicht. Er war dem Chevalier durchaus ergeben, denn in seinem Dienst konnte ein Knappe, dessen glühendster Wunsch es war, ein ebenso vorzüglicher Ritter wie dieser zu werden, allerlei lernen. Aber der mitunter doch recht ätzende Spott seines Herrn fügte seinen körperlichen Schmerzen nach dem Sturz vom Pferd noch zusätzliche Pein zu, die an seinem Stolz nagte. Alles in allem wusste er jedoch, dass es keinen besseren Ritter gab als den Chevalier de Trouville, und so biss er die Zähne zusammen, fügte sich in sein Los und hoffte, dass die Tage, bis er die Papsttürme von Avignon vor sich aufragen sah, nicht mehr allzu fern waren.
    Beim Anblick einer sich nähernden Gruppe von Reitern in einiger Entfernung hob Jérôme sich trotz seiner schmerzenden Rippen aus dem Sattel. Aufgeregt deutete er in ihre Richtung. „Das, Chevalier, scheint mir aber

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