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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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Hoffentlich findet er nichts, was ihm mein wahres Geschlecht verrät, hatte sie gebangt und sich um eine möglichst männliche Haltung im Sattel bemüht.
    Plötzlich fiel ihr etwas ein: Kurz bevor sie beim Sturz in den Abgrund das Bewusstsein verloren hatte, war das Bild des Engels in der Rüstung eines Ritters, das sie so oft in ihren Träumen gesehen hatte, erneut vor ihrem geistigen Auge aufgeblitzt. Diesmal aber hatte der Kopf des Engels, wenn auch nur schemenhaft, Gesichtszüge aufgewiesen. An grüne Augen konnte sie sich erinnern – genau wie die des Chevaliers. War der Traum tatsächlich eine Botschaft? Aber welche?
    Widerstrebend erhob sie sich aus dem Zuber. Nur allzu gern hätte sie das warme Wasser noch ein wenig länger genossen, doch Eile war geboten, denn sie wusste nicht, wie lange der Chevalier, der vor ihr gebadet hatte, noch im Stall bleiben würde, wo er nach den Pferden sah.
    Oje, das wäre doch eigentlich ihre Aufgabe als Knappe gewesen! Unwillkürlich schlug sich Leonor mit der Hand gegen die Stirn und zuckte zusammen, denn sie hatte genau die Stelle getroffen, an der sie sich verletzt hatte. In Zukunft musste sie achtsamer sein! Gewiss war der Chevalier, nachdem er nun schon so lange unterwegs gewesen war, aus alter Gewohnheit in den Stall gegangen, um selbst nach den Pferden zu sehen.
    Rasch kletterte sie aus dem Bottich, trocknete sich mit einem linnenen Tuch ab und rubbelte ihr Haar, das sie mit ihrem Dolch auf Kinnlänge abgeschnitten hatte, trocken. Zwar trauerte sie ihren schönen langen Flechten nach, doch das kurze Haar war nicht nur bequemer, sondern auch Teil ihrer Verkleidung, die ihr Schutz bot.
    Sie schlüpfte in ihre Sachen – wie schön wäre es gewesen, auch ein frisches Hemd zu haben –, setzte ihre Kappe auf und verließ die Kammer, um in den Stall zu eilen.
    Dort war Robyn gerade dabei, seinen Rappen zu striegeln, und schaute nur kurz auf, als Leonor sich näherte. Einmal mehr fiel ihm auf, wie anmutig der Gang des Jünglings war, und erinnerte sich auch erneut an Leons fast graziöse Wurftechnik beim Messerwerfen. Ach nein, tat er seine Beobachtungen ab, er bewegt sich einfach nur geschmeidig.
    „Verzeiht, Chevalier, aber das ist meine Aufgabe. Hat Adomar bereits Wasser und Futter erhalten?“
    Robyn hielt kurz inne. „Getränkt habe ich die Pferde. Aber du kannst dafür sorgen, dass sie ordentlich Heu und Hafer bekommen. Und sieh dir das Heu genau an. Wenn es schimmelig ist, werden die Tiere krank. Kennst du dich damit aus, Leon?“
    Leonor nickte. Sie war oft in den Stallungen ihres Vaters gewesen und hatte vom alten Bertrand, dem Stallmeister, so einiges über Pferde gelernt. Im Stillen war sie Vater und Mutter wieder einmal dankbar dafür, dass diese ihr so manche Freizügigkeit gewährt hatten, die anderen Mädchen nicht gestattet worden war. Eifrig machte sie sich ans Werk, schleppte einen Ballen Heu herbei und verteilte es, nachdem sie geprüft hatte, ob es frisch und trocken war, in die Tröge der Tiere. Dass der Ritter sie dabei beobachtete und erneut für sich feststellte, noch nie einen Knappen gesehen zu haben, der sich so elegant bewegte – die meisten Schildknechte traten eher genauso täppisch auf wie sein guter Jérôme –, merkte sie nicht. Eifrig füllte sie Säckchen mit Hafer, die den Pferden später vors Maul gebunden werden würden. Indes wünschte sie sich, diese Arbeiten vor dem Bad verrichtet zu haben, denn das herrliche Gefühl von Sauberkeit und Frische begann schon wieder zu schwinden.
    „Übrigens habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, Adomar, wann immer es geht, selbst zu striegeln. Das verbindet Ross und Reiter“, erklärte Robyn.
    Dies hatte Leonor zuvor noch nie gehört, doch es leuchtete ihr unmittelbar ein. Ritter Robyn schien wirklich ein außergewöhnlicher Mann zu sein.
    „Bestimmt habt Ihr und Adomar schon so manches Abenteuer bestanden, Chevalier.“
    Robyn nickte. „Das kann man wohl sagen, Leon. Vielleicht erzähle ich dir das ein oder andere während unserer gemeinsamen Reise. Es liegen noch viele Tage – vielleicht sogar Wochen – vor uns.“
    Leonor fühlte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg, und war froh, dass der Chevalier ihre vor Freude geröteten Wangen im Halbdunkel des Stalles nicht sehen konnte. Konnten seine Worte doch nur bedeuten, dass er sich endgültig entschieden hatte, sie weiter in seinen Diensten zu behalten! „Ich bin schon sehr gespannt, Sieur …“
    Robyn beendete seine Tätigkeit,

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