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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Mittler
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und Adomar begann, sich das Heu schmecken zu lassen.
    Nebenan im Stroh raschelte es. Leonor schrak zusammen, denn sie glaubte, dass sich dort Ratten umhertrieben.
    „Du fürchtest dich doch nicht vor ein paar Ratten?“, fragte Robyn gutmütig. „Keine Angst, es ist nur dein Hund, der es sich dort gut gehen lässt.“
    Leonor warf einen Blick hinter die hölzerne Abtrennung, und in der Tat lag dort Tarras, einen riesigen Fleischknochen zwischen den Pfoten, und „grinste“ sie an. Also hatte der Chevalier sich nicht nur eigenhändig um sein Pferd gekümmert, sondern auch noch um das Wohl ihres Hundes – den er doch eigentlich gar nicht hatte mitnehmen wollen.
    In der Tat ein außergewöhnlicher Mann, der zudem auch noch ausnehmend gut aussah!
    Rasch rief Leonor sich ins Gedächtnis, dass sie eine junge Witwe war – und dazu noch aus eigenem Verschulden – und sich auf einer Wallfahrt befand, um für ihre Sünden zu büßen. Das durfte sie nie vergessen!
    Verstohlen musterte Robyn seinen neuen Knappen im Licht der Talgkerzen, die auf dem roh behauenen Tisch in der Gaststube standen.
    Verdammt, der Junge war hübsch. Eigentlich viel zu hübsch für einen Knaben. Selbst die Pagen der Königin von Frankreich, die wegen ihres guten Aussehens ausgesucht wurden, konnten Leon nicht das Wasser reichen Er betrachtete die schlanke Gestalt, die leicht gebräunten, schmalen Hände und das ebenmäßige Gesicht, das von den veilchenblauen Augen dominiert wurde. In seinem ganzen Leben hatte er noch nie einen Mann mit dieser außergewöhnlichen Augenfarbe gesehen. Zum Teufel, warum ging ihm das immer wieder durch den Sinn? Wie üblich trug Leon eine Kappe, die sein Haar verbarg. Bisher hatte er ihn noch nie ohne diese Kopfbedeckung gesehen.
    Ich muss ein Auge auf ihn haben, nahm Robyn sich vor, denn auf seinen vielen Reisen hatte er von den unterschiedlichsten Gelüsten erfahren und wusste daher, welche Gefahren hübschen Jünglingen seitens des männlichen Geschlechts drohen konnten. Wieder fiel sein Blick auf die Hände seines Knappen, der mit dem Essdolch manierlich ein Stück Fleisch zerteilte.
    „Schmeckt es dir, Leon?“ Für einen Jungen isst er sehr anständig, dachte Robyn.
    Leonor schluckte den Bissen, an dem sie gerade kaute, hinunter und nickte heftig.
    „Sehr gut, Chevalier. Wie nennt man dieses Gericht? Ich habe es noch nie zuvor gegessen.“
    Robyn grinste. Für so ein schmales Bürschchen zeigte der Junge einen gesegneten Appetit. Nun ja, in der letzten Zeit, in denen er sich allein hatte durchschlagen müssen, hatte er ja auch nicht allzu viel zwischen die Zähne bekommen. „Man nennt es Ossobuco, es ist eine Spezialität dieser Gegend.“
    Leonor nahm sich noch ein Stück und verdrehte genießerisch die Augen.
    „Ja, die Welschen verstehen sich auf eine gute Küche“, fuhr Robyn fort. „Sie würzen eine Kalbshaxe mit allerlei Kräutern, und dann wird sie mehrere Stunden lang gesotten.“
    Nun, solange ich in der Gesellschaft des Chevalier de Trouville reise, werde ich wohl kaum mehr Hunger leiden müssen, dachte Leonor erfreut. Doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie ja eine Pilgerin war, und fragte sich erschreckt, ob es denn statthaft sei, als solche so gut zu speisen und zudem auf einem Pferderücken zu sitzen, statt zu Fuß zu gehen. Aber nach dem furchtbaren Zwischenfall in der düsteren kleinen Stadt war sie überglücklich, nun den Schutz des starken und reiseerfahrenen Ritters zu genießen. Nie wieder wollte sie etwas ähnlich Schreckliches erleben!
    „Wenn du deinen Hunger gestillt hast, Leon, wollen wir uns zu Bett begeben“, unterbrach Robyn ihre Gedanken. „Morgen liegt ein anstrengender Ritt über einen Gebirgszug vor uns, den wir wohl ausgeschlafen antreten wollen.“
    Schnell schob sich Leonor das letzte Stück der wohlschmeckenden Haxe in den Mund und kaute länger darauf herum, als nötig war. Verlegen senkte sie den Blick.
    Wollen wir uns zu Bett begeben? Es waren genau die Worte, die auch Konrad des Abends oft zu ihr gesagt hatte, und ihre darauf folgenden Nächte waren immer von süßer Liebe erfüllt gewesen.
    Und nun sollte sie alsbald die Kammer mit dem Chevalier teilen, der niemals erfahren durfte, dass sie eine Frau war!
    Dass besagter Chevalier immer stärkere Zweifel an ihrer Identität hatte, ahnte sie nicht.
    Beklommen folgte Leonor dem Ritter die schmale Holzstiege des Albergo hinauf. Würde es ihr gelingen, in der Schlafkammer ihr Geheimnis zu bewahren?
    Als sie

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