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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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plauderte Froben ihre Familiengeschichte aus? Dazu noch so salbungsvoll? Gewiss wollte er sich Vorteile beim Librarius verschaffen, damit er Zutrauen gewann. Es fehlte nur noch, dass er ihm vom Tod ihrer Mutter berichtete.
    »Das ist eine sehr interessante Geschichte, die ihr mir vortragt«, erwiderte Alexius. »Und es ist eine wahre Geschichte, ich kenne sie. In den Annalen des Klosters ist sie aufgezeichnet. Es ist nur so, und insofern muss ich Euch enttäuschen, dass dieser Goldkandelaber kurz nach dem Eintreffen des Friedrich von Wildenberg verschwunden ist.«
    »Verschwunden?«, fragten Froben und seine Tochter wie aus einem Munde.
    »Wie konnte das passieren? Wohin ist er verschwunden?«, wollte ihr Vater wissen.
    »Das kann niemand sagen, und die alten Bücher geben keine Auskunft darüber. Friedrich kehrte nach Syrien zurück, danach hat man nie wieder etwas von ihm gehört oder gesehen, geschweige denn, dass ein Lebenszeichen in irgendeiner Schrift aufgetaucht wäre.«
    Teresa war enttäuscht. Sollten sie die Reise vergebens gemacht haben? Und die beiden Reiter – was hatten die zu bedeuten? Etwas im Ausdruck des Bibliothekars hinderte sie daran, über ihre Erlebnisse zu berichten.
    »Ich werde Euch die Annalen zeigen«, fuhr Alexius fort. Er ging hinüber zu einem der Regalschränke und zog ein großes Buch heraus. Es war in schwärzliches Leder gebunden und mit goldenenLettern verziert. Ihm entströmte der Geruch uralter Mauern. Er legte es vor sich auf das Pult und schlug es auf.
    Annalen des Klosters Agenbach stand auf der ersten Seite in einer kunstvollen Schrift, mit verblassender indigoblauer Tinte geschrieben. Das Pergament war teilweise eingerissen, als hätten Hunderte von Bibliothekaren, Mönchen und Scholaren im Lauf der Jahrhunderte darin geblättert. Alexius ließ die Seiten vorsichtig durch seine wulstigen Finger gleiten.
    »Das Kloster wurde im Jahre 1095 von Mönchen aus St. Blasien gegründet«, sagte er. »Spätere Äbte und Bewohner kamen aus dem niederen Landadel der Umgebung – und sie führten das Kloster zu der Blüte, die ihr heute vor Euch seht. Hier ist es.« Er hielt einen Moment mit dem Blättern inne.
    »Am 12. Dezember 1099 erschien ein Kreuzfahrer an der Pforte des Klosters, der sich als Friedrich von Wildenberg ausgab. Er überreichte den Mönchen einen goldenen Kandelaber zur Aufbewahrung, den er später wieder holen und zu seiner Stammburg Wildenberg bringen wollte, nachdem seine Mission in Syrien beendet sein würde. Er diente wohl in Jerusalem seinem Heerführer Gottfried von Bouillon. Mehr ist zu diesen Ereignissen leider nicht zu sagen. Ich habe jahrelang nachgeforscht, aber weiter nichts gefunden.«
    »Das ist auf jeden Fall sehr aufschlussreich«, meinte Froben. »Irgendwo muss dieser Kandelaber aber doch geblieben sein.«
    »Es wurden viele Mutmaßungen angestellt. Nach einer Theorie hat ein Jakobspilger ihn mit nach Santiago de Compostela genommen, und dort wurde er lange als Heiliger Gral verehrt. Eine andere Theorie besagt, Friedrich habe ihn, aus Misstrauen gegen die Mönche, wieder nach Syrien und Jerusalem zurückgebracht, nachdem er hier nach seinen Besitzungen und seiner Familie geschaut hatte. Wie dem auch sei, wir werden es sicher in diesem unserem Leben nicht herausfinden.«
    »Ich danke Euch auf jeden Fall für Eure bereitwilligen Auskünfte, Bruder Librarius«, sagte Froben.
    Teresa murmelte ein paar Worte der Zustimmung. Dieser Mann verbarg etwas. Sie konnte es nicht benennen, aber ihr Gefühl trog sie selten.
    »Ich lade Euch ein, in unserem Kloster zu Gast zu sein«, fuhr Alexius fort, »so lang es Euch beliebt. Ich habe es mit dem Abt schon besprochen. Ihr könnt Euch in der Bibliothek umsehen, am klösterlichen Leben teilnehmen und auch mit uns beten und arbeiten, sofern Ihr es wollt. Eure Tochter sollte ihre Gestalt durch Mönchskleidung verhüllen und ihre Haare verstecken, auf dass sie meinen Brüdern nicht zu unkeuschen Gedanken Anlass gebe.«
    Das war ein sehr großzügiges Angebot. Vielleicht täuschte Teresa sich, vielleicht hatte er wirklich ein gutes Herz und bezweckte nichts Bestimmtes. Wenn die beiden Reiter wirkliche Menschen gewesen waren und keine Geister, mussten sie in der Gegend gesehen worden sein.
    »Ich werde Euch meinen Gehilfen zur Seite geben«, sagte der Bibliothekar. »Er heißt Markus Schenk und stammt aus einem Dorf hier in der Nähe. Seine Begabung und sein Fleiß haben uns dazu bewogen, ihm die Stelle als

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