Die Pilgerin von Montserrat
Bibliotheksgehilfe anzubieten, die er seitdem mit Gewissenhaftigkeit versieht. Er war zunächst Novize, gehört jetzt jedoch zu den aktiven Mönchen.«
Alexius nahm eine silberne Schelle von seinem Pult und ließ sie ertönen. Aus dem Hintergrund der Bibliothek näherte sich eine Gestalt. Es war ein junger Mann mit dunklen, lustig funkelnden Augen. Er trug die schwarze Tracht der Benediktiner.
»Markus, ich bitte dich, in den nächsten Tagen für das geistliche und leibliche Wohl unserer Gäste zu sorgen«, sprach Alexius. »Führe sie herum, zeige ihnen alles und sei ihnen vor allem behilflich, Spuren ihres Vorfahren aufzudecken, der einst zu diesem Kloster in einer wichtigen Angelegenheit kam. Sei sittsam und hüte dich vor frechen Bemerkungen. Er ist eben ein Kind seines Dorfes«, wandte sich Alexius wieder an die beiden. »Unsere Scholaren haben ihm nicht eben die besten Umgangsformen beigebracht.«
»Ich werde mich zu benehmen wissen«, sagte Markus, und Teresasah, wie er sie bei diesen Worten anschaute und ihm dabei der Schalk aus den Augen blitzte.
»Nun geh wieder an deine Arbeit!«, forderte Alexius den Gehilfen auf. »Ich selbst muss mich meinen Studien widmen. Erkundet nur die schöne Umgebung unseres Klosters und findet Euch zur Mittagszeit im Refektorium ein.«
Damit waren Froben und Teresa zunächst entlassen. Sie verließen die Bibliothek und machten sich auf zu einem Rundgang durch das Kloster. Es war gegen halb zehn, im Kreuzgang schickte die Sonne ihre ersten Strahlen zur Krone der Magnolie, die inmitten der Rasenfläche stand. Gemächlich wandelten Mönche zwischen Garten und Küche hin und her; keiner sprach ein Wort. Ora et labora, bete und arbeite – das war das Gesetz des heiligen Benedikt zum Tagesablauf der Mönche.
Nachdem Teresa vom Kammerverwalter Tunika, Skapulier und Kukulla erhalten und sich umgekleidet hatte, betrat sie mit ihrem Vater die Kirche, deren hoher Altarraum von einer Kassettendecke gekrönt war. Die Farben waren in Weiß und dem rötlichen Sandstein gehalten, den die Bewohner des Klosters in der Nähe abbauten. Die Rundbögen und Pfeiler standen in einer strengen Ordnung zueinander. Unterbrochen wurde diese Ordnung nur durch den Altar, eine blaugoldene Schnitzerei mit einer Darstellung von der Kreuzigung Christi. Ein junger Mönch, wahrscheinlich ein Novize, fegte mit einem Strohbesen den Boden.
»Lass uns an die frische Luft gehen«, sagte Froben. »Mir wird hier allmählich ein wenig eng zumute.«
Teresa stimmte ihm zu und folgte ihm zur Tür. Sie traten auf den Platz vor der Kirche. Darauf stand eine Linde, um deren mächtigen Stamm sich eine hölzerne Bank schmiegte, daneben ein Brunnen mit einer Steinfigur. Teresa nahm an, dass sie einen der hier früher lebenden Äbte darstellte. Aus den Fenstern des Schulgebäudes drang das unterdrückte Gelächter der Scholaren, und von der Küche her wehte ein Geruch nach Fleischbrühe. Die beiden schlenderten durch den Garten, der mit antiken Skulpturen geschmücktwar. Auf die Wege hatte man Kies gestreut. Ein Bach floss durch das Gelände, dessen Ufer mit Minze und Mädesüß bestanden waren. Die Nebel begannen sich zu heben und ließen Tautropfen im Gras zurück. Im Osten kämpfte sich die Sonne vollends über die Berge, sie überstrahlte Garten, Wälder, Kloster und die kleine, winkelige Ortschaft mit ihrem goldenen Licht. Teresa und Froben wandten sich einem kleinen Tor in der Mauer zu. Dahinter begann ein Pfad, der sich steil den Berg hinaufwand. Sie folgten ihm in die Höhe. Durch dichten Tannenwald gelangten sie immer weiter hinauf.
Teresa musste öfter innehalten, um Atem zu holen. Dabei schaute sie ins Tal zurück, das gegen Süden noch im Dunst versunken war, auf die kleinen Häuser rund um das Kloster. Rote Schnecken krochen über den Weg. Als sie oben waren, schwitzte Teresa beträchtlich. Sie war es nicht gewohnt, so früh am Tag eine solche Anstrengung hinter sich zu bringen. Linker Hand zweigte ein Hohlweg ab, den sie nun beschritten.
»Es ist der Jakobsweg, den die Pilger aus dem heiligen Römischen Reich auf ihrer Wanderung nach Santiago de Compostela benutzten«, sagte Froben.
Santiago de Compostela – schon oft hatte sie diesen Namen gehört, und immer weckte er eine unbestimmte Sehnsucht in ihr. Was hatte der Librarius heute Morgen gesagt?
»Glaubst du, dass der Kandelaber nach Santiago de Compostela gebracht worden ist?«, fragte sie ihren Vater.
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Wir
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