Die Pilgerin von Montserrat
wir ihn erst haben!«
»Er ist aber nicht der Einzige, der Schuld auf sich geladen hat.«
»Aber der Schlimmste! Er hat mich auf seinen Knien reiten lassen,als ich klein war. Oft hat er mir etwas geschenkt, mir etwas aus seinem Schloss mitgebracht, wenn er zu Besuch kam. Als er von dem Kandelaber erfuhr, muss ein furchtbarer Sinneswandel in ihm vorgegangen sein.«
»Er ist – wie viele – der Verlockung erlegen. Vielleicht solltest du nicht zu hart urteilen. Auch du selbst warst ganz versessen darauf, die Menora zu finden.«
»Aber ich habe es irgendwann aufgegeben! Und erkannt, dass die … dass du mir wichtiger bist als alles andere.«
»Du bist mir genauso wichtig, das weißt du. Aber wir wollen nicht mehr davon sprechen.«
»Ich könnte doch in ein Kloster eintreten, irgendwo weit fort von hier, und du in eines, das in der Nähe davon liegt. Dann könnten wir uns lieben, ohne Rücksicht auf unser Gelübde nehmen zu müssen.«
»Wie stellst du dir das vor? Lieber stürze ich mich in eine der tiefsten Schluchten des Schwarzen Waldes, als in solcher Sünde zu leben!«, setzte Markus dagegen.
Er liebte sie nicht, das hatte er jetzt endgültig klargemacht. Gott, das Kloster, die Mitbrüder, alles war ihm wichtiger. Teresa schwieg.
»Du wirst auf deiner Burg leben und die Chronik schreiben, und ich werde in ein anderes Kloster eintreten. Vergessen werde ich dich nie!«
Sie beugte sich zu ihm hinüber und nahm seine Hand. »Ich werde dich auch niemals vergessen – auch das nicht, was wir zusammen erlebt haben. Wie hieß noch das Gedicht von Petrarca?«
» Auf den Gipfel ist das Ziel
Und das Ende unseres Lebens
Auf ihn ist unsere Wallfahrt gerichtet«,
zitierte Markus.
»Was mein Leben betrifft, so hat er nicht recht«, sagte Teresa. »Ich bin fast auf den Mont Ventoux gestiegen, wahrhaftig auf den Monte Jordi und schließlich noch auf den Alamut, von den Templerburgenganz zu schweigen. Aber das Ziel meiner Wallfahrt waren diese Gipfel nicht.«
»Was dann?«
»Das, was ich jetzt spüre, ist eine ungeheure Klarheit. Ich nehme alles ganz anders wahr als früher und weiß, was ich will und wohin ich gehen möchte.«
Markus zog sie näher zu sich heran und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Es löste ein Kribbeln in Teresa aus.
»Das ist es, was ich will und wonach ich gestrebt habe. Doch Gott hat es mir nicht gestattet, meinen fleischlichen Gelüsten nachzugeben.«
Der Hauptmann hatte inzwischen Befehl zum Trab gegeben. Schon preschten die Hakenschützen an ihnen vorbei, dass sie ihre liebe Not hatten, zu ihnen aufzuschließen. Bald kamen sie durch die Schlucht, in der die beiden jungen Hakenschützen gestorben waren. Teresa ritt in dumpfer Trauer an den Felsbrocken vorbei, die man, um die Toten zu bergen, beiseitegeschafft hatte. Murmelnd floss der Bach über die bemoosten Steine, und in der Höhe flog krächzend eine Schar Krähen.
Am Abend des dritten Tages standen sie auf der Anhöhe über dem Ort Agenbach, und Teresa sah das Kloster im Grün der Bäume auf dem Talgrund liegen. Aus seinem Schornstein und dem der umliegenden Häuser kräuselte sich Rauch. Alles wirkte friedlich, als sei diese fromme Stätte von nichts anderem als von Gottesfürchtigkeit beseelt. Das Dorf summte vor Betriebsamkeit. Hammerschläge hallten aus den Werkstätten, Pferde wieherten, Hühner gackerten und scharrten im Mist, ein Hahn krähte. Auf ein Zeichen von Hugo saßen alle ab. Er wollte eine Lagebesprechung machen.
»Unser Trupp sollte sich lieber noch im Wald versteckt halten«, sagte er. »Wir werden einen Unterstand aus Zweigen errichten. Ihr, Markus und Jungfer Teresa, werdet zu Euren Eltern gehen, zu Markus’ Eltern«, verbesserte er sich. »Sobald Ihr die Lage ausgekundschaftet habt, gebt uns Bescheid. Wir sind trefflich ausgerüstet, auch mit Nahrung und Bier.«
Teresa und Markus verabschiedeten sich von den Hakenschützen und lenkten ihre Pferde im Schritt den Weg zum Dorf hinab. Markus ritt vor Teresa her. Was mochte in seinem Kopf vorgehen? In diesem Ort war er aufgewachsen, es war die Heimat seiner Kinderjahre. Und wie kehrte er jetzt zurück, als ein Wandermönch, der ihr helfen wollte, die Geschehnisse hier und anderswo aufzuklären! Das Kloster barg ein letztes großes Geheimnis. Würde es ihnen gelingen, es aufzudecken und danach ihren Frieden mit sich, miteinander und mit der Welt zu finden? Oder war es zu spät? Hatten sie schon zu viel gesehen von dem Unheimlichen, das in ihr Leben gekommen war wie
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