Die Pilgerin von Montserrat
Schließlich bist du Mitglied des Ordens der Benediktiner.«
»Ich bin mir nicht mehr sicher, ob das noch ein Orden der Benediktiner ist. Es gibt dunkle Kräfte, auch hier bei uns im Schwarzen Wald, die alles unterwandert haben.«
Die Eltern bekreuzigten sich erschrocken. Die Mutter fasste sich aber schnell ein Herz.
»Ich habe einen Einfall«, sagte sie. »Teresa könnte sich als Bäuerin verkleiden und Kräuter ins Kloster bringen. Dabei könnte sieetwas in Erfahrung bringen. Die Kräuter wachsen in unserem Garten, Bärlauch, Brennnessel, Löwenzahn, Gänseblümchen, Schnittlauch, Gundelrebe …«
»Schon gut«, schnitt ihr Mann ihr das Wort ab, »wir wissen, wie reich bestückt dein Gärtchen ist.«
»Und eine Alraune hätte ich auch noch mitzugeben.«
»Und wenn ich gefragt werde, wer ich bin?«, fragte Teresa.
»Dann sagst du, du seiest die neue Magd vom Bauern Schenk.«
Alle lachten, und Teresa hatte wieder das Gefühl, angekommen zu sein.
36.
Während sie am anderen Morgen beim Frühstück saßen, bemerkte Teresa im Schein der Sonne, dass Markus seiner Mutter sehr ähnlich sah – dasselbe schwarze Haar, dieselbe frische Gesichtsfarbe. Der Vater dagegen war groß und knochig. Die Muskeln an seinen Armen hatten sich durch die Landarbeit stark ausgebildet.
»Was sind das eigentlich für Männer, die sich, wie ihr meint, ins Kloster eingeschlichen haben?«, fragte Markus’ Mutter. »Ich bin ja manchmal ebenfalls dort mit meinen Kräutern und meinem Gemüse. Früher ist es dort lustig und menschlich zugegangen, jetzt denk ich manchmal, die hätten alle Angst vor irgendwas.«
»Wir wissen es auch nicht«, entgegnete Markus. »Aber es spricht viel dafür, dass es Nachkommen christlicher und arabischer Gruppen aus der Zeit der Kreuzzüge sind.«
»Und was wollen die erreichen?«, fragte Herr Schenk nach.
»Vor allem wollen sie Macht«, gab Teresa zur Antwort. »Und sie suchen nach einem Kandelaber, der 1099 ins Kloster Agenbach gebracht worden sein soll.«
»Ein Kandelaber?«, rief Frau Schenk. »Was soll das denn? Haben sie denn selbst kein Licht?«
»So darfst du es nicht sehen, Mutter«, sagte Markus. »Natürlich haben sie ihr eigenes Licht. Es geht um die Menora.«
»Die Menora, die vom jüdischen Volk vierzig Jahre lang durch die Wüste getragen wurde?«
»Ja, genau. Es geht darum, wer von den Religionen, insbesondere der islamischen und der christlichen, die Vorherrschaft hat.«
Frau Schenk schaute betreten drein. »Es gibt doch nur einen Gott, egal, wie man ihn nennt. Warum sollte man sich darum streiten?«
»Jeder meint eben, sein Gott sei der wahre«, folgerte Herr Schenk. »In den Bauernkriegen haben sie sich ja auch deswegen die Köpfe eingeschlagen.«
»Na, dann wollen wir euch helfen, diese Leute aus dem Kloster zu vertreiben«, sagte Frau Schenk.
Nachdem sie fertig gegessen hatten, nahm sie Teresa mit in ihre eheliche Kammer. Sie öffnete den alten, mit Blumenranken bemalten Kasten und holte ein blaugepunktetes, hochgeschlossenes Mieder heraus, dazu einen blauen Rock und eine weiße Schürze. Für die Haare gab sie ihr ein buntes Tuch. Als Teresa sich umgezogen hatte, klatschte Frau Schenk in die Hände.
»Du siehst wie ein richtiges Kräuterweiblein aus. Nun schlüpfst du noch in diese Holzschuhe, und fertig ist die Verkleidung. Komm mit nach draußen, damit ich dir meine Kiepe und die Kräuter gebe.«
»Haben die Mönche nicht selbst Kräuter in ihrem Garten?«
»Nicht genug, um so viele Mönche zu versorgen.«
Mit ihrem Messer schnitt sie das Grünzeug und legte es in die hölzerne Kiepe, die sie Teresa auf den Rücken lud.
»So, nun kannst du losgehen. Den Weg kennst du ja.«
Teresa war es fast feierlich zumute. Als Kräuterfrau sollte sie heute in das Kloster zurückkehren. Markus und seine Eltern ermahnten sie, vorsichtig zu sein. Teresa verließ das Haus und wanderte durch die morgendlichen Wiesen, am Waldrand entlang, dann wieder am Fluss, der munter seinen Weg durch das Tal nahm. Wieder nahm sie alles wahr, als sähe sie es zum ersten Mal. Es roch nach taufeuchtem Gras. In den Büschen am Ufer hatten sich Spinnen ihre Netze gebaut, die von Tröpfchen übersät waren. Sie erreichte die ersten Häuser des Städtchens, wurde von allen gegrüßt. Schüler in grauer Leinenkleidung, spitz zulaufenden Lederschuhen und Ranzen auf dem Rücken waren auf dem Weg zur Lateinschule. Der Mönch am Klostertor ließ sie ohne weiteres ein und wies ihr den Weg zur Küche, den sie
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