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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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sonnenüberflutet vor ihnen. Am Ufer der Donau, das mit Weiden und Erlen bewachsen war, standen Reiher wie Statuen und warteten auf Fische oder junge Frösche. Wiesenschaumkraut und Bachnelken machten sich breit. Bald erreichten sie das Kloster Beuron, ein Mahnmal in dem grandiosen Kessel mit den weißen Felsen. Die Benediktiner gingen ihrer Arbeit nach, im Garten, in der Wäscherei, der Küche und dem Backhaus. Als die beiden den Hof durch das Tor verließen, drangen fromme Choralgesänge aus der Kirche. Teresa dachte an das Kloster Agenbach. Auch dort lebten Benediktiner, auch dort war eine Stätte des Friedens und der Gottesnähe. Ob sich dort etwas verändert hatte? Die Erinnerungen, die ihr vor das innere Auge traten, ließen sie das Schlimmste befürchten.
    Vom Ortsrand führte der Weg nun in einem Bogen durch das Tal, das der Urstrom in Jahrmillionen geschaffen hatte. Etwa eine halbe Stunde später machte der Weg eine Biegung, und Teresas Auge bot sich eine überwältigende Szenerie: das Durchbruchstal mit Laibfelsen und dem gigantischen Massiv des Stiegelesfelsen. Warum hatte sie das noch nie so wahrgenommen? Hatte sich etwas bei ihr verändert? Sie bewegten sich auf eine fast alpine Masse zu, immer begleitet von dem Fluss, der langsam an den Uferweiden vorbeiströmte. In der Wand kreisten Dohlen und Wanderfalken.
    Mein Leben ist wie der Abgrund, es genügt ein Weniges, um abzustürzen, dachte sie. Jeder Herzschlag ist eine Entscheidung, zum Leben oder zum Tod, zum Gold oder zur Wahrheit, ich muss nur wählen.
    Wenig später überraschten sie eine riesige Äskulapnatter beim Verspeisen eines Frosches. Jeder ist jedes Feind, um zu überleben. Fridingen kam in Sicht, die fachwerkgeschmückte Ackerbürgerstadt mit dem Schloss und den engen Gassen. An der alten Holzbrücke über den Fluss machten sie Rast. Die Hakenschützen tranken Bier aus ihren Schläuchen und pfiffen nach den Mädchen, die vorübergingen. Überall, wo sie hinkamen, erregten sie einiges Aufsehen. Eine junge Frau, ein Mönch und siebzehn Hakenschützen – das musste etwas ganz Besonderes sein! Das Tal weitete sich, die Berge rechts und links des Flusses wichen zurück. In Tuttlingen nahmen sie Quartier für die Nacht. Die weitere Strecke war Teresa ebenfalls noch wohlbekannt, nur war es damals Herbst gewesen, die Blätter der Bäume rot und gelb verfärbt, wie ein Höllenfeuer in der Landschaft. Die Reise durch das Neckartal erwies sich als sehr geruhsam. Bauern arbeiteten auf dem schwarzen Boden der Felder, Tagelöhner zogen ihres Weges, fahrende Schüler, Pilger und Mönche. Hugo, der ältere der Hakenschützen, ritt eine Zeit lang neben Teresa.
    »Was gedenkt Ihr in Agenbach zu tun, liebe Jungfer?«, fragte er.
    »Ich weiß es noch nicht so genau. Zunächst einmal wollen wir zu den Eltern von Markus gehen. Und dann müssen wir versuchen, in das Kloster hineinzukommen – unerkannt.«
    »Warum unerkannt? Habt Ihr etwas ausgefressen?«
    »Im Gegenteil! Je nachdem, von welchem Standpunkt aus man es betrachtet, vielleicht doch.« Sollte sie ihm die Wahrheit offenbaren?
    »Da bin ich aber gespannt. Ich sagte Euch ja schon, dass es auf der Burg nicht mehr mit rechten Dingen zugeht, seit Euer Onkel sie übernommen hat.«
    Teresa beschloss, zunächst auf das einzugehen, was er zu berichten hatte. Hugo hatte sein Visier hochgeklappt, so dass Teresa seine hellen, wachen Augen, die buschigen Brauen und die etwas knollige Nase sehen konnte.
    »Was meint Ihr damit – dass es nicht mit rechten Dingen zugeht?«, fragte sie.
    »Manchmal kommen des Nachts merkwürdige Besucher, die in lange Kapuzenmäntel gekleidet sind, schwarz wie die Nacht selbst. Ihre Gesichter konnte ich nie erkennen. Sie schlüpften aus der Vorburg, wo wir uns gewöhnlich aufhalten, in den Hof hinab und verschwanden im Palas. Aus der Burgkapelle habe ich manchmal klagende Gesänge vernommen, und im Rittersaal brannten die halbe Nacht hindurch Kerzen. Wo die doch so teuer sind! Euer Vater ist nicht so verschwenderisch mit den Dingen umgegangen.«
    »Und wie verhält sich mein Onkel dazu?«
    »Euer Onkel ist oft wochenlang weg. Weiß nicht, wo er sich immer aufhält. Wahrscheinlich auf seinem Schloss in Peterszell oder aber im Kloster Agenbach, denn der Abt Alexius Furer war auch schon des Öfteren hier zu Gast.«
    »Was Ihr nicht sagt! Es gibt eine Verbindung zwischen meinem Onkel und dem Abt?«
    »Ja, aber ich weiß nicht, welcher Natur die ist«, antwortete Hugo.
    Bei Teresa

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