Die Pilgerin von Montserrat
Herzens mit dem Säugling in den Wald. Er blickte mich aus seinen Augen so treuherzig an, dass ich es nicht über mich brachte. Statt ihn umzubringen, gab ich ihn einem Kräuterweib in die Hände, mit der Bitte, ihn ins Kloster Agenbach zu bringen und zu berichten, sie habe ihn im Wald gefunden. Zur Belohnung steckte ich ihr ein paar Kreuzer zu.«
Matthias hielt inne und schaute Teresa an. Sie war wie vom Donner gerührt.
»Dann bist du also …«
»Du bist also …«, stammelte Markus.
»Ja, ich bin dein Bruder, Teresa.« Er stand auf, zog sie an der Hand hoch und nahm sie in den Arm. Teresa konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. Sie war so weit gereist, war um die halbe bekannte Welt geritten, hatte ihren Vater verloren, und jetzt war sie heimgekehrt und hatte einen Bruder gefunden. Gleichzeitig ergriff sie ein heftiger Zorn gegen ihren Onkel. Sie machte sich frei aus Matthias’ Armen und sagte mit vor Wut dunkler Stimme: »Aber Onkel Werner hatte doch selbst keinen Sohn. Was wollte er mit all dem Reichtum anfangen?«
»Der Hakenschütze berichtete mir, dass Werner von Wildenberg jungen Frauen nachstellte, mehrmals heiratete, bis er endlich einen Sohn bekam. Der würde alles von ihm erben und seinen Namen unsterblich machen. Daneben wusste er genau, was er mit dem Geld und dem Besitz machen würde.«
»Also war die Faulhänsin tatsächlich schwanger von ihm …«, warf Teresa ein.
»Hat Werner von Wildenberg etwas mit dem Kloster zu tun?«, fragte Markus scharf.
»Ich glaube schon«, sagte Matthias. »Zumindest habe ich öfter gesehen, wie er zum Haus des Abtes ging. Und in bestimmten Nächten, in denen der Vollmond scheint, gibt es merkwürdige Umtriebe in der Kirche. Ich bin dem noch nicht auf die Spur gekommen, aber es scheint mir, als würden Fremde dort ihre Messen feiern. Jedes Mal hängt am nächsten Tag ein eigenartiger Geruch in der Luft.«
»Den habe ich auch schon einmal bemerkt«, sagte Teresa. »Wann wird wieder Vollmond sein? Ich möchte der Sache unbedingt auf den Grund gehen.«
»Vollmond wird es morgen geben. Aber nein, liebe Schwester, das wäre zu gefährlich«, sagte Matthias. »Ich habe gehört, dass oben im Wald eine Gruppe von Hakenschützen steht, das sind doch eure? Lass sie das erledigen.«
»Mir ist ein Gedanke gekommen.« Teresa stand auf und schaute – wie zuvor ihr Bruder – nachdenklich in Richtung Kloster.
»Könntest du uns diesen Gedanken bitte verraten?« Markus hatte sein spöttisches Gesicht aufgesetzt.
»Ich schlage vor, morgen früh zu unseren Hakenschützen zu gehen und uns mit ihnen zu beraten. Wenn sie einverstanden sind, würde ich sie für die Nacht vor der Klostermauer postieren, dort, wo die kleine Pforte ist. Markus, du und ich, wir schleichen uns in die Kirche und beobachten, was geschieht. Sollte Gefahr drohen, rufen wir die Hakenschützen herbei.«
»Und wenn sie jemand entdeckt?«, gab Markus zu bedenken.
»Denen wird schon eine Ausrede einfallen. Sie könnten vorgeben, eine wichtige Persönlichkeit zu eskortieren.«
Markus fasste sie am Arm und schaute ihr ins Gesicht. »Und wenn uns jemand entdeckt?«
»Das werden wir zu verhindern wissen.«
»Teresa, was treibt dich dazu, diesem Geheimnis nun auch noch auf den Grund gehen zu wollen? Ist nicht schon genug Schlimmes geschehen?«
Sie spürte, wie ihr die Wut vom Magen her in die Kehle stieg und sie zuzuschnüren drohte.
»Wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass sich diese … Sekte – oder was auch immer es sein mag – weiterverbreitet und ungehindert ihr Unwesen treibt! Mein Onkel hat ein schweres Verbrechen begangen. Dafür will ich ihn bestraft sehen. Er hat meine Mutter ermordet!«
»Lass es die Hakenschützen machen«, sagte Markus sanft. »Sie alle werden der irdischen Gerechtigkeit zugeführt werden.«
»War es denn gerecht, dass Onkel Werner unsere Burg in Besitz nahm? Wo war da der Arm des Richters?«
»Er hatte dich für tot erklären lassen. Es bestand kein Grund einzugreifen.«
Teresa stampfte mit dem Fuß auf wie ein kleines Kind. »Ich will es so machen, und davon wird mich keiner abbringen!«
An Markus’ Miene merkte sie, dass er nicht weiter widersprechen würde. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, musste es so geschehen, wie es ihren Vorstellungen entsprach.
»Lasst uns nach Hause gehen«, sagte er. »Morgen werden wir weitersehen.«
»Ich gehe als Erster«, meinte Matthias. »Ich habe es schon zur Komplet läuten gehört. Da muss ich mir
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