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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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nicht berichtet haben: In jener Nacht, in der wir dieses Schriftstück fanden, hörte ich Geräusche aus der Bibliothek. Ich kleidete mich schnell an, schlich hinüber und sah zwei Gestalten, die sich an meinem Schreibpult zu schaffen machten. Ich rief sie an und bekam etwas über den Kopf geschlagen, wahrscheinlich einen Kerzenleuchter. An Einzelheiten konnte ich mich nicht mehr erinnern, da ich das Bewusstsein verlor. Später wurde unser Torwächter Wilhelm mit durchgeschnittener Kehle aufgefunden.«
    »Das deutet auf Raubmord hin«, rief Markus aufgeregt.
    »Ihr wisst noch nicht alles«, fuhr Froben fort. »Bevor wir Kloster Beuron erreichten, stürmten zwei Reiter auf uns zu, als wollten sie uns in Grund und Boden stampfen. Zwei Tage später, auf dem Weg durch den Schwarzen Wald, wurden unsere Hakenschützen von herabfallenden Felsen erschlagen.«
    »Kann das nicht Zufall gewesen sein?«, fragte Markus.
    »Nein«, rief Teresa halblaut. »Ich habe zwei Reiter gesehen, die von der Spitze des Felsens zu uns herunterschauten. Sie waren gekleidet wie Kreuzfahrer.«
    »Verstehe«, meinte Markus. »Da ist jemand hinter dem Geheimnis dieses Kandelabers her, genau wie wir.«
    »Lasst uns weiter in der Chronik lesen, vielleicht gibt sie Aufschluss über das, was damals wirklich passiert ist«, schlug Froben vor.
    »Und nachher werfen wir noch einen Blick in die Kirche«, entgegnete Markus.
    Froben warf ihm einen verwunderten Blick zu, sagte aber nichts. Die drei nahmen unter dem Sternrippengwölbe Platz, so wie am Abend davor.

7.
    »Das Mädchen hieß Gisèle, sie war in Straßburg zu dem Kreuzfahrerheer gestoßen. Allmählich gewann ich ihr Vertrauen, indem ich ihr abends immer einen Teil von meinen Essensrationen brachte. Die Frauen und Kinder im Tross bekamen weniger zu essen als die Männer, die schließlich einen Krieg zu bestehen hatten. Gisèle stammte aus einer Schuhmacherfamilie, die sich redlich, aber in großer Armut durchschlug. Weil ihr Vater sie weder verheiraten noch sie ernähren noch ihr eine Stellung verschaffen konnte, schloss sie sich aus eigenem Wunsch dem Kreuzfahrerheer an. Sie war von graziler Gestalt und hatte ein ebenmäßiges Gesicht, mit großen, ausdrucksvollen blauen Augen. Ihr blondes Haar, das ich manchmal anschauen, aber nicht berühren durfte, wenn sie es mit einem grobzinkigen Kamm bürstete, trug sie unter einer Kappe verborgen, wie sie auch ihre liebliche Gestalt in grobe Männergewänder aus Leinen gehüllt hatte. Sie musste, wie das andere gemeine Volk, den ganzen Weg zu Fuß laufen, und manchmal nahm ich sie aus Mitleid zu mir aufs Pferd.
    Abends habe ich ihr häufig die Füße mit Salbe eingerieben oder sie verbunden. Albrecht schien das alles nicht zu behagen. Vielleicht grämte er sich, dass er selbst kein Mädchen fand, das sich von ihm hätte auf sein Pferd setzen lassen. Wenigstens wurde er im Laufe der Wochen immer griesgrämiger.
    Von Regensburg zogen wir an der Donau entlang gen Ungarn. Ich bin von Hause aus ein gebildeter und aufgeschlossener Mann, darum versuchte ich mir immer wieder die Entbehrungen dieses Marsches, die Härte eines jeden Tages, die kargen Essensrationen zu versüßen, indem ich zusammen mit Gisèle Klöster und Burgen besuchte, mir die eine oder andere Stadt anschaute oder auch Käse,Äpfel oder ein saftiges Stück Rindfleisch kaufte, wann immer der Tross einen Tag lagerte. Immer teilten wir alles mit Albrecht, und er schien wieder fröhlicheren Mutes zu werden.
    Als wir Mitte Oktober die weite Ebene von Ungarn erreichten, waren die Nächte schon sehr kalt, wohingegen es tagsüber noch recht heiß sein konnte. Auf dem weiten Grasland, das immer wieder von sanften Hügeln, Ziehbrunnen und Hütten unterbrochen wurde, sahen wir Schafhirten mit ihren Herden und die berühmten Reiter, die das Fleisch unter ihren Sätteln weich reiten und es dann zu Gulasch verkochen sollten. Nicht nur einmal genossen wir es in einer der Schilderwirtschaften am Straßenrand. Es schmeckte so scharf, dass wir eine Menge Wein benötigten, um das Feuer im Mund zu besänftigen. Leider kam es immer wieder zu Ausschreitungen, sosehr Gottfried von Bouillon, Balduin de Boulogne und die anderen Ritter das auch unter Strafe stellten. Es wurde in der Umgebung geraubt, geplündert, vergewaltigt und gemordet. «
    Markus hielt inne.
    »Es ist schon spät«, meinte er. »Vom Lesen ist mir der Mund ganz trocken geworden.«
    Er goss etwas Wein aus einer Karaffe in einen Becher und nahm einen

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