Die Pilgerin von Montserrat
verrichten. Das Mittagsgebet hatten sie versäumt, aber das war erlaubt an solchen Tagen, sagte Ambrosius. Er füllte einen großen Topf mit der Wurstbrühe und goss Wasser nach. Zwei der Männer schafften den heißen Topf auf ein Gefährt, das von einem Gaul zum Klostereingang gezogen wurde.
Teresa, Matthias und Ambrosius wuschen sich die Hände im Brunnen vor dem Haus und begaben sich zu ihren Zellen, um sich umzuziehen. Am Mittag schienen die Mönche das Essen zu genießen, solche Köstlichkeiten bekamen sie nicht oft im Jahr vorgesetzt. Teresa schmeckte es ebenfalls, es erinnerte sie an die Schlachtfeste auf Burg Wildenberg. Der Librarius saß mit missmutigem Gesicht vor seinem Teller und tunkte Brot in die Metzelsuppe.
Lange Zeit war nur das Klappern von Holzlöffeln sowie ein gelegentliches Schmatzen oder Schlürfen zu vernehmen, wenn einer der Männer die Schüssel mit der Suppe an den Mund gesetzt hatte. Markus befand sich an einem Tisch, der etwas weiter entfernt stand. Immer wenn sie sich zwischen zwei Bissen im Saal umschaute, begegnete sie seinen lustigen Augen. Am Schluss der Mahlzeit wurde ein Gebet gesprochen. Die Mönche erhoben sich, Tische und Bänke wurden gerückt. Jeder begab sich zur mittäglichen Ruhepause. Da es draußen stürmte und regnete, beschloss Teresa, in ihre Zelle zu gehen und sich dort auszuruhen, bis zur Arbeit geläutet wurde. Sie legte sich auf ihr Bett. Ihre Augen brannten und wollten zufallen, jedoch fühlte sie sich so aufgewühlt, dass es ihr nicht gelang einzuschlafen. Alles, was seit dem Tag geschehen war, an dem sie das Pergament gefunden hatten, ging ihr noch einmal durch den Kopf. Die Fledermäuse, die sie im Dunkeln gestreift und sie gekratzt hatten, der Augenblick, in dem der Deckel von dem Kästchen herunterfiel, wie sie den Brief gelesen hatten. Dann das nächtliche Geräusch, dieVerletzung des Vaters, der tote Torwächter Wilhelm. Schließlich die Beerdigung. Teresa glaubte wieder das lichte Gelb der Birkenblätter vor sich zu sehen, das sich zwischen sie und den blassblauen Himmel schob. Der Ritt durch das Donautal, die merkwürdigen Reiter, die später den Felssturz ausgelöst hatten. Waren sie ihnen ins Kloster Agenbach vorausgeritten und befanden sich jetzt hier? Hinter welchen von den Mönchen könnten sie sich verbergen? Und wenn es sich wirklich so verhielt – warum hatten sie dann den armen Wilhelm umgebracht? War er im Begriff gewesen, sie zu verraten?
Teresa wollte Markus heute Abend bitten, etwas schneller zu lesen. Der Abt würde ja nicht ewig fortbleiben, und wo sollten sie sich sonst treffen? Auf der anderen Seite liebte sie diese Abendstunden, wenn Markus ihnen vorlas, sie seine Nähe spürte, die so wohlklingende Stimme hörte . Ein warmes Gefühl durchströmte sie. Sie zuckte zusammen. Jetzt wäre sie beinahe eingeschlafen. Sie schaute zu dem kleinen vergitterten Fenster hin. Der Regen trommelte gegen die Außenwand; auch in die Zelle sprühte er herein.
Ganz in der Ferne sah Teresa den Küchengehilfen Matthias unter einem Baum stehen. Er kam langsam auf sie zu, völlig durchnässt, balancierte vorsichtig auf dem Weg, der sich in Morast verwandelt hatte. Sein blondes Haar hing ihm ins Gesicht, und er schaute sie aus wissenden Augen an. Um seinen Mund hatten sich Grübchen gebildet. Er hob den Arm, drehte den Kopf von ihr weg und wies mit dem Zeigefinger in Richtung der Klosterküche. In diesem Moment begann die Kirchenglocke heftig zu läuten. Teresa sprang mit einem Satz aus dem Bett. Die Glocke, die zur Arbeit rief! Sie brachte ihr Haar in Ordnung und steckte es mit einer Spange fest. Darüber band sie ein Tuch.
Im Kreuzgang war niemand zu sehen. Aus der Küche schallte ihr ein lautes Schnattern und Quaken entgegen. Der Koch Ambrosius war dabei, eine der Enten zu schlachten. Eigentlich hatte Teresa genug von all dem Blut, aber es musste ja sein. Ambrosius nickte ihr zu. Er packte eine der Enten, was ein noch wütenderes Geschnatterder anderen hervorrief, hielt beide Flügel und den nach rückwärts gebogenen Kopf mit einer Hand fest, legte sie auf einen Hackklotz und machte mit einem scharfen Messer einen tiefen Schnitt bis an den Halsknochen.
»Ich schneide Schlund und Gurgel gleichzeitig durch, damit die Ente recht schnell stirbt«, sagte er. Das Tier schnatterte und versuchte mit den Flügeln um sich zu schlagen, doch der Griff des Kochs war unerbittlich. »Dann lasse ich sie ausbluten.« Er schnitt den Knochen vollends durch, und der
Weitere Kostenlose Bücher