Die Pilgerin von Montserrat
gar in Beinkleidern, die sie als Männer erscheinen lassen sollten. Gottfried von Bouillon, ein prachtvoller lothringischer Herzog in der Mitte seiner dreißiger Jahre, mit einem schmalen, bräunlichen Angesicht und bekleidet mit einem weißen Harnisch, auf dem orangerote Kreuze in verschiedenen Größen angebracht waren, stand an der Spitze dieses wohlorganisierten Heeres. Er wurde begleitet von seinem Bruder Balduin von Boulogne, der seine Frau Godvère von Tosni und seine Kinder mit sich führte. Wir zogen in vierzehn Tagesmärschen den Neckar hinab und immer an der Donau entlang bis nach dem alten Castra Regina der Römer. Ich gewöhnte mich schnell an das Lagerleben mit seinen Entbehrungen, während Albrecht häufig nach den Bequemlichkeiten seiner Burg jammerte, die so bequem gar nicht gewesen war. Der Herzog führte uns durch liebliche Täler und durch Auen, über sonnenglühende Höhen mit spärlichem Bewuchs, dann wieder zu Flüssen und Bächen, in denen die Pferde ihren Durst stillen und das Fußvolk seine heißgelaufenen Zehen kühlen konnte. Es regte sich keinerlei Widerstand im Volk, nein, sie schlossen sich uns zu Hunderten an, begeistert von der Idee, das Heilige Grab zu befreien.
Schon von Anfang an war mir eine kleine weibliche Person aufgefallen, hübsch von Angesicht und grazil von Gestalt, auch wenn sie sich in einen groben Umhang geworfen hatte, den sie nur bei großer Hitze ablegte. Sie schien keinerlei Verwandte oder Freunde zu haben, schritt aber tapfer, ohne jedes Murren mit den anderen im Tross, half beim Kochen, beim Säubern der Zelte, besserte Kleidung aus und erbettelte auch mitunter Nahrung in den umliegenden Dörfern. Den Wallfahrern Gottes wurde immer gern gegeben.Eines Tages näherte ich mich ihr mit den Worten: ›Wo seid Ihr her, liebreizende Frau?‹
Sie wollte sich zunächst entfernen, über und über rot geworden, doch als ich sie noch einmal bat, mir Auskunft zu geben, begann sie zu sprechen. «
Markus hob den Blick und hörte auf zu lesen.
»Die Glocke hat gerade zehn Schläge getan«, sagte er. »Ich glaube, wir beenden unsere Zusammenkunft für heute, denn es sind nur noch drei Stunden bis Vigil.«
»Auf jeden Fall haben wir einen ersten Eindruck davon erhalten können, wie unsere Vorfahren zum Heer Gottfrieds von Bouillon kamen«, meinte Froben.
Teresa unterdrückte ein Gähnen. Sie war trotz ihrer Müdigkeit gespannt auf die Fortsetzung der Geschichte, die für den kommenden Abend beschlossen wurde.
Am nächsten Morgen waren ihre Augen klein und brannten, weil sie wegen der Nachtgebete kaum geschlafen hatte. Als die Glocke sechs und eine halbe Stunde schlug, versammelten sich alle – auch Teresa – im Kapitelsaal. Die Gebete der Prim wurden fortgesetzt, danach die Tagesaufgaben verteilt. Teresa bat darum, in der Küche arbeiten zu dürfen. Es war schon immer ihr Wunsch gewesen, einmal in einer Klosterküche tätig zu sein. Alexius, der die Gebete in Vertretung des Abtes gesprochen hatte, wies sie an, sich bei Bruder Ambrosius in der Küche zu melden, er sei schon vorausgegangen. Der Ort, an dem die Speisen für die Mönche hergestellt wurden, befand sich direkt neben dem Refektorium. Es war ein großer, dunkler Raum mit geschwärzten Wänden; an der Längsseite war ein kleines vergittertes Fenster eingebaut. An den Wänden zogen sich Regale mit Töpfen und anderen Gerätschaften hin. In der Mitte stand der gemauerte Herd. Über ihm befand sich ein Kupferkessel, an einer eisernen Vorrichtung aufgehängt. Bruder Ambrosius war seine Vorliebe für gutes Essen anzusehen. Sein Bauch spannte sich unter der weißen Schürze, die er über die Tunika gebunden hatte. Er hatte das vierzigste Lebensjahr gewiss schonüberschritten, jedoch zeigte sein rundes Gesicht mit den Bäckchen kaum eine Falte. Die roten Haare kringelten sich wie Putzwolle um seinen Kopf.
»Das ist gut, so was hab’ ich hier noch nicht erlebt«, sagte er mit dröhnender Stimme. »Eine Frau als Küchenhilfe. Warum nicht? Die Weiber sorgen für die tägliche Nahrung, der Mann ist gut fürs Besondere, für die Festtagsbraten und für die Feinheiten.«
»Ich habe Kochen gelernt«, versetzte Teresa. »Ich kann mit jedem Klosterkoch mithalten, dessen bin ich sicher.«
»Daran wage ich auch nicht zu zweifeln«, gab er gutmütig zurück. »Dann lasst uns in medias res gehen und eine Hühnersuppe herstellen, die es in sich hat. Da ist das Gemüse, das mir der Bruder Gärtner gerade gebracht hat. Fangt mit dem
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