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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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Kopf fiel schlaff herunter. Blut schoss aus der Gurgel und besudelte die Schürze von Ambrosius. »Ich lege sie nun wenigstens zwanzig Minuten in ein Gefäß mit kaltem Wasser, nehme sie heraus, wende sie einige Mal in kochend heißem Wasser. Danach könnt Ihr und Matthias sie leichter rupfen.« So verfuhr er auch mit den anderen Enten, bis es still im Raum geworden war.
    Matthias kam zur Tür herein. Er hatte wieder diesen wissenden Blick. Da er von der Schule kommend den Hof überqueren musste, war sein Haar nass, und einige Strähnen fielen ihm in die Stirn. Ob er irgendetwas wusste? Doch Teresa hatte keine Zeit darüber nachzudenken, denn Ambrosius wies sie beide an, mit einem kleinen Messer die Stoppeln aus der Haut der Tiere herauszuzupfen, sie wieder in kaltes Wasser zu legen und abzuwaschen.
    »Danach legt ihr die Enten auf das Tranchierbrett, nehmt den Hals in die linke Hand und schneidet mit einem scharfen, spitzen Messer …«
    »Ich habe das schon mal gemacht«, unterbrach Matthias mit seiner hellen Stimme. »Ihr braucht es mich nicht mehr zu lehren!«
    Teresa und Matthias machten sich an die Arbeit.
    »Das Feuer unter dem Brühtopf ist fast ausgegangen«, rief Ambrosius dem Jungen zu. »Geh hinaus, hole Holz und lege nach.«
    Matthias nahm einen Weidenkorb, ging zur Tür hinaus und kehrte mit frischen Buchenholzscheiten zurück. Nachdem er sie auf das Feuer gelegt und einige Mal geblasen hatte, züngelten die Flammen empor. Bald brannte wieder ein kräftiges Feuer unterdem Topf. Die Suppe darin begann zu brodeln. Teresa, die eine Ente in ihrem Schoß hielt und sie rupfte, sah, wie Matthias die Hand zum Topf hin ausstreckte. Nein, er richtete sich aus seiner hockenden Stellung auf, fasste nach dem Deckel, hob ihn auf und schaute in den Topf hinein. Sein Mund öffnete sich zu einem Schrei, der so hoch und spitz war, dass Teresa vor Entsetzen zusammenfuhr.

8.
    Ambrosius fiel das Tranchiermesser aus der Hand. Teresa rutschte das Tier, das sie rupfte, von ihrem Schoß auf den Boden. Sie zögerte einen Moment, während sie wie gebannt auf das Gesicht des Küchenjungen starrte. Matthias’ Arm sank kraftlos herab, der Deckel schepperte mit Getöse auf den Lehmboden der Küche.
    »Kannst du kein Blut sehen?«, rief Ambrosius ihm zu.
    »Da drin ist …« Matthias zeigte auf den Topf. »Da drin steckt …«
    »Ja, was denn nun?«, brüllte Ambrosius ihn an. »Musst du uns wegen der paar Leberreste und des Blutes toll machen?«
    »Kommt her und schaut selber!«, sagte Matthias in einem müden Ton.
    Teresa stand auf und ging langsam auf den Kochtopf zu. Ambrosius näherte sich ebenfalls. Vorsichtig spähte Teresa hinein – und fuhr gleich darauf entsetzt zurück. Dieses Bild würde ihr ein Leben lang nicht mehr aus dem Kopf gehen. In der rötlich gefärbten Brühe mit den Wurst- und Leberresten lag zusammengekrümmt ein Mensch. Die Arme hatte er um die Knie geschlungen. Auf dem Kopf zeigte sich ein kreisrunder kahler Fleck – die Tonsur.
    Ambrosius schaute ebenfalls in den Topf. Angewidert verzog er sein Gesicht.
    »Es ist der Abt«, sagte er. »Ich erkenne ihn an der Form seiner Tonsur. Von dem ist nicht mehr übrig als von den Schweinen.«
    Diese Worte waren gotteslästerlich. Wie war der Abt da hineingeraten? Oder hatte ihn jemand gestoßen? Hatte ihn vielleicht vorher schon jemand getötet und dann hineingeworfen? War das wieder ein Zeichen – sollte das eine neue Abschreckung sein?
    »Ich muss den Librarius holen«, meinte Ambrosius. Der Tod desAbtes schien ihn nicht näher zu berühren. Er gehörte offenbar zu den Menschen, für die Begriffe wie Leben und Tod nicht viel Bedeutung hatten.
    »Matthias, lauf und hol den Librarius.«
    »Am besten auch seinen Gehilfen!«, fügte Teresa hinzu. Es würde besser sein, wenn noch ein zweiter den Toten begutachtete. Sie wollte den Topf nicht mehr sehen, wollte diese Küche nicht mehr sehen, wollte raus aus diesem entsetzlichen Kloster! Es roch nicht nur nach Blut und Gekröse, es roch auch metallisch und süß, wie nach gekochtem … Fleisch.
    Ihr wurde speiübel, und sie lief nach draußen, durch den Kreuzgang, wo ihr der Bibliothekar und Markus entgegenkamen. Teresa hielt sich die Hand vor den Mund und lief weiter. Im Karree zwischen den Säulen des Kreuzgangs sank sie ins Gras und erbrach sich. Es schüttelte sie, ein heftiger Schmerz wühlte in ihrem Unterleib. Schließlich kam nur noch gelbe Galle. Nie wieder würde sie Metzelsuppe essen können. Jemand fasste

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