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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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stapelten sich Spielzeuge, unter anderem ein winziges Schachspiel, Kreisel und Murmeln.
    »Die habe ich den Schülern abgenommen, weil sie damit den Unterricht störten«, sagte er statt einer Begrüßung, obwohl niemand danach gefragt hatte. Seine Haare standen wirr vom Kopf ab, das hagere Gesicht zeigte tiefe Spuren der Entsagung und Selbstkasteiung.
    »Wir möchten wissen, ob Ihr im Kloster in der letzten Zeit etwas Ungewöhnliches bemerkt habt«, tastete sich Froben vor.
    »Das habe ich allerdings«, war die Antwort des Lehrers. »Seit Ihr mit Eurer Tochter gekommen seid, stimmt in unserem ehrwürdigen Gemäuer überhaupt nichts mehr. Die Schüler sind außer Rand und Band. Mein Lieblingsschüler Matthias, auf den ich große Hoffnungen gesetzt habe, hält sich mehr in der Küche auf als in der Schule. Was hat er da eigentlich zu suchen?«
    »Ora et labora – das ist doch das Gebot des Heiligen Benedikt, nicht wahr?« Teresa war selbst erstaunt über ihre Schlagfertigkeit.
    »Nun ja«, lenkte der Lehrer ein. »Es gibt schon einen Hinweis, aber ich habe diesem Schüler gesagt, sprich mit niemandem darüber, denn es könnte Böses auslösen.«
    »Was hat er erzählt?«, fragte Froben.
    »Er hat erzählt, dass an dem Abend, bevor Ihr mit Eurer Tochter hier erschienen seid, zwei vermummte Reiter durch das Tor eingelassen worden sind. Danach waren sie verschwunden, er hat sie nie mehr gesehen.«
    »Wer war dieser Schüler?«, fragte Teresa.
    »Eben dieser Matthias. Wenn Ihr auf so gutem Fuß mit ihm steht, müsste er es Euch eigentlich erzählt haben.«
    »Hat er nicht. Ihr habt es ihm doch verboten.«
    »Das ist doch schon ein Anhaltspunkt«, meinte Froben beschwichtigend. »Und ich muss dir Abbitte leisten, liebe Teresa, dass ich zunächst an deinen Worten gezweifelt habe.«
    »Ich habe das für Phantastereien gehalten und den Kleinen tüchtig die Rute spüren lassen«, sagte der Lehrer. »Aber wenn Euch meine Ausführungen weiterhelfen, soll es mir recht sein.«
    »Die Reiter sind seitdem verschwunden«, sagte Teresa zu Froben, während sie zur Komplet gingen.
    Das Abendessen hatten sie ausfallen lassen, kaum einer der Mönche war ins Refektorium gegangen. Nach dem letzten Gebet des Tages versammelten sich alle Klosterbewohner und Gäste im Kapitelsaal. In der Mitte des Raumes war ein Mittelpfeiler mit einemGewölbestern verankert, dessen Rippen sich zu immer neuen geometrischen Figuren ordneten. Die Klosterbewohner saßen schweigend auf den umlaufenden steinernen Bänken und schauten auf den toten Abt, der in einem Holzsarg aufgebahrt lag. Sein Antlitz war wächsern. Er trug ein weißes Totenhemd und hielt einen Stechpalmenzweig mit roten Beeren in der Hand.
    Nachdem sich Teresa und ihr Vater ebenfalls gesetzt hatten, begann der Librarius ein Kyrieleeison anzustimmen. Alle anderen fielen ein. Verstohlen musterte Teresa die Gesichter der Mönche. Ob der Mörder unter ihnen war? Alexius faltete die Hände und sprach ein Gebet.
    »Meine lieben Brüder in Christo«, fuhr er fort, und in Richtung von Teresa und Froben sagte er: »Meine lieben Gäste unseres Klosters. Wir haben uns heute Abend hier zusammengefunden, um den Tod eines Bruders und Abtes zu beweinen, der auf schreckliche Weise aus unserer Mitte gerufen worden ist. Ihm sei Dank für alles, was er an Segensreichem für uns erwirkt hat. Friede sei seiner Seele und Gott ein Wohlgefallen. Amen.«
    Die Mönche sangen einen Psalm.
    »Wir müssen einen neuen Abt wählen«, sagte Alexius. »Das Kloster darf nicht ohne Führung sein. Solange das dauert, werde ich als Stellvertreter unseres Abtes die Leitung übernehmen.«
    »Gelobt seiest du in Jesus Christus, unserm Herrn, in Ewigkeit«, sangen die Mönche.
    »Hat von euch Brüdern jemand etwas zu bemerken?«, fragte Alexius.
    Ambrosius stand auf.
    »Werter Bruder Alexius und Stellvertreter unseres hingeschiedenen Abtes«, sagte er mit seiner kräftigen Stimme. Sein Doppelkinn wackelte dabei bedenklich. »Ich wünsche eine Untersuchung darüber, wie es dazu kam, dass der Abt Hieronymus auf eine Reise nach Konstanz ging, von der er nicht zurückkehrte, sondern in meinem Wurstkochtopf auftauchte. Habt Ihr Euch darüber schon Gedanken gemacht, Bruder Alexius?«
    »Ja, das habe ich«, war die Antwort des Bibliothekars. »Und ich habe niemanden gefunden, der geeigneter wäre, die Untersuchungen in die Hand zu nehmen, als unseren gelehrten Gast, Froben von Wildenberg, mit seiner Tochter Teresa.«
    Merkwürdig, dass er

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