Die Pilgerin von Montserrat
Wochen lang diente ich noch Gottfried von Bouillon, derals Verwalter des neuen Reiches eingesetzt worden war. Den Goldkandelaber behielt ich in Ehren, doch bald schien mir, dass er wundertätig war.
Eines Tages, im Oktober des Jahres 1099, bemerkte ich, dass jemand es auf den Kandelaber abgesehen haben musste, es wurde in mein Haus eingebrochen, ein Diener ermordet. Da beschloss ich, mit dem Kleinod zurück in die Heimat zu reisen und es dem Kloster Agenbach zur Aufbewahrung zu überlassen. Von dort werde ich über das Kloster Montserrat, wo ich mir von einem befreundeten Geistlichen die Absolution für meine Sünden erhoffe, zurück nach Palästina gehen, meine Sachen ordnen und die Gebeine meiner geliebten Gisèle zurück in Römische Reich überführen.
11.
Markus legte das letzte eng beschriebene Blatt beiseite. Das Öllämpchen flackerte und drohte zu erlöschen. Nun kam Leben in Froben, der wie versteinert dagesessen hatte. Er stand auf, holte eine Kanne und goss etwas Öl in die Lampe. Der Raum wurde heller, aber ihre Schatten tanzten wie Dämonen an den Wänden. Froben ergriff als Erster das Wort.
»Das ist ja eine schreckliche Geschichte«, meinte er. »Ich habe nicht gewusst, dass unsere Vorfahren so sehr in die Geschehnisse verwickelt waren. Es ist ein wichtiges Dokument für unsere Chronik. Wäre ich nur eher darauf gekommen, hier im Kloster nachzufragen!«
»Das konntest du doch gar nicht, Vater«, warf Teresa ein. »Von der Existenz dieses Kandelabers haben wir bis vor ein paar Tagen nichts gewusst. Und auch von der Teilnahme Friedrichs und Albrechts am Kreuzzug nicht.«
»Da hast du natürlich recht. Ich überlege mir, wie wir weiter verfahren könnten.«
Markus war aufgestanden und ging in der Sakristei auf und ab.
»Wir sollten das, was wir bisher wissen, einmal ordnen und genau betrachten. Ihr fandet ein Pergament in Eurer Wunderkammer mit dem Hinweis, dass ein Goldkandelaber vom ersten Kreuzzug nach Agenbach gebracht worden sei. Danach wurdet Ihr überfallen und der Torwächter ermordet. Auf dem Weg zum Kloster starben zwei Eurer Männer durch herunterstürzende Felsbrocken. Im Kloster selbst erwies sich die Chronik von Friedrich als unauffindbar. Kurz darauf wurde der Abt Hieronymus tot aufgefunden. Was könnte das alles miteinander zu tun haben?«
»Aus dem Bericht von Friedrich wissen wir«, antwortete Teresa,»dass er den Kandelaber von Gottfried von Bouillon bekommen hat und damit zurück in die Heimat wollte. Sein Bruder und seine Braut starben bei der Eroberung Jerusalems.«
»Vielleicht sollten wir folgendermaßen vorgehen«, meinte Markus. »Wie kamen die einzelnen Spielsteine dieses Rätsels zustande? Wie gelangte das Pergament nach Wildenberg?«
»Friedrich hatte es seinem Diener Abel übergeben, in der Hoffnung, dass ein späterer Verwandter es findet«, meinte Froben.
»Und wer hat die Morde begangen?«
»Das muss jemand sein, der uns daran hindern will, den Kandelaber zu finden.«
»Gut gedacht«, sagte Markus. »Aber weiß dieser jemand, wo er zu suchen ist?«
»Wahrscheinlich weiß er oder wissen sie auch nicht mehr als wir«, entgegnete Froben.
»Ich fasse zusammen«, erklärte Markus. »Froben, der Torwächter und der Abt mussten aus dem Weg geräumt werden, wahrscheinlich weil sie dem Geheimnis zu nahe gekommen waren.«
»Aber der Torwächter wusste überhaupt nichts davon«, meinte Teresa. »Und was ist mit mir? Mir ist bisher noch gar nichts passiert!«
Markus kratzte sich am Kopf.
»Der Torwächter wurde vielleicht ermordet, um einen Raub vorzutäuschen. Froben hätte man genauso gut töten können. So sieht es eher wie eine Warnung aus. Der Abt hat möglicherweise etwas herausgefunden, was er nicht hätte wissen dürfen.«
»Dann brauchen uns diese … Personen … gleichzeitig, um den Weg zum Kandelaber zu finden und wollen uns dann aus dem Weg räumen?« Teresa atmete heftig.
»Möglich wäre es.« Markus rieb seine Nase. »Möglicherweise brauchen sie auch nur Euch, Teresa, und Euer Vater soll aus dem Weg geräumt werden.«
»Aber warum, um Himmels willen?«
»Wegen deiner hellseherischen Fähigkeiten«, sagte Frobenschmunzelnd. Dass er so vergnügt sein konnte angesichts der Gefahr, die ihnen drohte!
»Aber woher wollen die das wissen?«
»Sie hätten nur das Gesinde fragen müssen, die wissen ja alle darüber Bescheid.«
Etwas in Markus’ Augen blitzte auf. »Da ist noch eine Ungereimtheit. Wenn Albrecht tot war und Friedrich keine Frau mehr
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