Die Pilgerin von Montserrat
genommen hat – warum ist dann Euer Geschlecht nicht ausgestorben?«
»Ihr habt recht« antwortete Froben. »Es gab keine weiteren Wildenbergs außer ihnen. Wir wären heute nicht da, wenn sie die Letzten gewesen wären. In Friedrichs Bericht stand, dass er über das Kloster Montserrat zurück nach Jerusalem reisen wollte. Ich glaube fast, dass in dem Kloster der Schlüssel des Geheimnisses verborgen liegt.«
»Mir ist noch etwas aufgefallen«, meinte Markus. »Wann ist Friedrich laut Klosterchronik mit dem Kandelaber nach Agenbach gekommen? Im Dezember 1099. So schnell kann er doch gar nicht von Jerusalem hierher gelangt sein. Irgendetwas stimmt da nicht.«
»Lasst uns seinen Spuren folgen«, rief Teresa aus. »Wir werden es herausbekommen!« Die Aussicht, in ferne Länder zu reisen, lockte sie immer noch sehr.
Markus legte ihr die Hand auf den Mund.
»Nicht so laut, Teresa«, sagte er mit leiser Stimme. »Auch hier könnten die Wände Ohren haben. Wir dürfen nichts davon an irgendjemanden weitergeben.«
»Ich schlage vor, dass wir noch heute Nacht zurück nach Wildenberg reiten«, meinte Froben. »Dann werde ich mit ein paar Hakenschützen nach Montserrat gehen und dort Nachforschungen anstellen.«
»Ihr dürft nicht allein gehen«, wandte Markus ein. »Ihr seid in höchster Gefahr.«
»Wen soll ich Eurer Ansicht nach mitnehmen?«
»Eure Tochter und … mich.«
»Euch? Teresa? Aber Ihr seid ans Kloster gebunden, es würde auffallen, wenn Ihr von hier verschwindet. Und Teresa – ich sagte es ja schon einmal.«
»Habe ich dich bis jetzt in irgendeiner Weise behindert?«, begehrte Teresa auf. »Durch mich bist du doch überhaupt erst darauf gekommen, den Kandelaber zu suchen.«
»Reitet heute Nacht noch fort!«, wies Markus die beiden an. »Ich werde Euch Morgen unter einem Vorwand folgen, der keinen Verdacht aufkommen lässt.«
»Was für ein Vorwand könnte das sein?«, wollte Teresa wissen.
»Ach, eine Pilgerfahrt, um meine Sünden abzubüßen …«
»Nach Santiago de Compostela?« Teresas Augen leuchteten.
»Warum nicht? Wir drei könnten mit einem solchen Ziel auf die Reise gehen.«
»Also gut, ich gebe mich geschlagen«, sagte Froben. »Aber wie kommen wir an unsere Pferde heran? Und wie aus dem Tor hinaus?«
»Der Stallknecht und der Bruder Torwächter sprechen beim Abendessen immer gern dem Wein zu. Es wird mir ein Leichtes sein, Eure Pferde herauszuholen und Euch durchs Tor zu schmuggeln.«
Teresa fühlte sich mit einem Mal sehr müde, doch sie nahm sich zusammen und eilte zu ihrer Zelle, um Sachen zusammenzupacken. Es war totenstill im Kloster, eine mondlose Nacht. Vom Wald her klagte ein Käuzchen. Sie kehrte mit ihrem Bündel zurück. Markus stand mit den beiden Pferden vor dem Stall und streifte ihnen Zaumzeug und Sattel über. Markus streckte beiden die Hand zum Abschied hin.
»Wir sehen uns in zwei, drei Tagen auf Burg Wildenberg«, sagte er und hielt Teresas Hand einen Moment zu lange.
Ein feiner Sprühregen ging nieder, machte Haut und Kleidung feucht. Teresa warf einen letzten Blick zurück auf das Kloster, das dunkel und drohend dastand. Sie schwangen sich in die Sättel und ritten im Schritt zum Tor hinaus, das Markus hinter ihnen verschloss.Dann umgab sie das Dunkel der Nacht, und Teresa hörte nichts als das Klappern der Hufe, das leise Strömen des Regens und ein fernes Rauschen des Flusses. Sie nahmen den gleichen Weg zurück, den sie gekommen waren. Teresa schien es eine Ewigkeit her zu sein. Das schlechte Wetter machte den Ritt über die Berge und durch die Täler zu einer Strapaze. Teresa war bald ganz durchnässt. Sie ließ die Zügel hängen und verließ sich blindlings auf ihren Vater, der vor ihr her ritt.
Gegen Abend des folgenden Tages erreichten sie eine Herberge in der Stadt Rottweil, die von Kohlebecken schwach erleuchtet wurde. Nach einer warmen Mahlzeit fiel Teresa auf ihren Strohsack, deckte sich notdürftig zu, lauschte einen Moment halb angewidert, halb belustigt dem Schnarchen, Grunzen und Furzen um sich herum und schlief traumlos bis zum nächsten Morgen.
Schon von weitem sah sie Burg Wildenberg wie ein Krähennest auf dem Berg. Wie gut es war, heimzukommen! Gewiss würde die kleine Magd Kathrin ihr ein heißes Bad im Zuber bereiten, so durchfroren, wie sie war, und Caspar und Heinrich würden ein Abendessen auftragen wie in alten Zeiten.
Nun ging es den steilen Pfad durch den Wald hinauf, von dessen rotbraunen Blättern das Wasser troff. Die Ebene
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