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Die Pilgerin von Montserrat

Die Pilgerin von Montserrat

Titel: Die Pilgerin von Montserrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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der Schwergedrückte findet
    Linderung in seinem Leid. «
    Das Lied, mit der tiefen Stimme des Wirtes vorgetragen, zog die Menschen in den Bann. Allmählich lockerte sich ihre Erstarrung, und sie stimmten ein:

    »Mutig, mutig, liebe Brüder,
    Gebt das bange Sorgen auf:
    Morgen steigt die Sonne wieder
    Freundlich an dem Himmel auf.

    Darum lasst uns weitergehen;
    Weichet nicht verzagt zurück!
    Hinter jenen fernen Höhen
    Wartet unser noch ein Glück. «
    Es wurde still im Gastraum. Teresa fühlte sich von diesen Zeilen angesprochen. Hinter jenen fernen Höhen wartet unser noch ein Glück. Sie war mit ihrem Vater und einem Mönch, den sie ein wenig näher kennengelernt hatte, unterwegs zu einem unbekannten Ziel. Was hoffte sie zu entdecken? Warum hatten sie sich in solcheGefahr begeben, nur um ein Familienerbstück zu finden? Wirkten die todesmutigen Charaktere ihrer Vorfahren über die Jahrhunderte nach? Sie blickte sich um, schaute in die geröteten, ergriffenen Gesichter. Das Licht der Lampe, die in Form einer Ampel von der Wirtshausdecke herabhing, begann zu flackern. Das hatte sie doch schon einmal erlebt. Durch einen dunklen Gang musste sie gehen, an dessen Ende die Bibliothek lag. Unbekannte, weiche Wesen flogen ihr ins Gesicht und verletzten sie.
    Die Tür des Gasthauses wurde aufgerissen, kalte Luft wehte herein. Teresa war es, als wäre alles in ein bläuliches Licht getaucht. Zwei Männer kamen herein, bekleidet mit langen, grauen Pilgergewändern. Sie nahmen die Kapuzen nicht ab, grüßten nicht, sondern setzten sich an den Tisch nahe dem Eingang. Teresa sah, dass der Wirt zitterte. Er näherte sich den Fremden.
    »Was ist Euer Begehr?«, fragte er und verbeugte sich.
    »Brot, Bier und Speck«, war die Antwort des einen. Seine Stimme war schneidend. Sie erinnerte Teresa an jemanden, aber sie wusste nicht, an wen. Sie beobachtete die beiden Männer, die mit dem Rücken zu ihr saßen, weiterhin und merkte, dass Froben und Markus es gleichfalls taten. Die Fremden schlangen wortlos Brot und Speck herunter, kippten das Bier aus den Krügen in sich hinein und standen auf. Einer warf ein paar Geldstücke auf den Tisch, und ohne sich noch einmal umzusehen oder zu grüßen, waren sie zur Tür hinaus. Erneut kam ein Schwall eiskalter Luft herein, und Teresa sah über dem nächsten Haus einen Stern aufblitzen. Dann war der Spuk vorbei. Die Lampe brannte wieder mit voller Flamme, der Ofen bullerte vor sich hin, und die Menschen im Raum wandten sich ihren Nachbarn und den Frauen zu.
    »Was wollten diese Männer bei Euch?«, fragte Froben den Wirt und nahm einen Schluck aus seinem Wasserkrug.
    »Wahrscheinlich haben sie im anderen Gasthaus nichts zu essen bekommen«, meinte er.
    Die Frau am Nachbartisch beugte sich zu ihnen herüber, so dass man ihren aus dem Mieder hervorquellenden Busen sah.
    »Ich sagte es doch, das sind Fremde, die Unheil über uns bringen.« Sie ließ ihre Wimpern über den glasigen Augen klimpern. »Hab genau gesehen, dass die Lampe fast ausgegangen wäre. Das sind Teufel in Menschengestalt!«
    Der Mann neben ihr stimmte zu. »Letzten Winter, an Mariä Lichtmess, da waren auch Fremde im Dorf. Als sie abgezogen waren, kam eine Krankheit, an der viele Dorfbewohner und Kinder verstarben.«
    »Hoffentlich sind sie morgen wieder verschwunden«, warf der Betrunkene ein.
    Das hoffe ich auch, dachte Teresa. Aber wie, wenn die beiden ihretwegen hier gewesen waren? Sie würden sie auf ihrem ganzen weiteren Weg verfolgen, ihnen auflauern … Sie schob den Gedanken beiseite und gähnte herzhaft.
    »Wir sollten ins Bett gehen«, meinte Froben und zog einen Golddukaten aus einem kleinen Lederbeutel, den er am Gürtel trug.
    Teresa bemerkte, wie die Augen des Betrunkenen aufleuchteten. Gott sei Dank hatte er nicht den großen Beutel dabei, es brauchte nicht jeder zu sehen, wie gut gefüllt ihre Reisekasse war. Aber die Stimmung in der Gaststube war fröhlich, man schien sie nicht mehr für unheilbringende Fremde zu halten. Sie verabschiedeten sich vom Wirt, der jedem einen brennenden Kienspan in die Hand gab, und stiegen die Treppe zu ihren Zimmern hinauf. Teresa fror in dem kalten Raum. Sie leuchtete mit dem Kienspan in Richtung Bett, das aus einem Holzgestell mit Strohmatratze bestand. Nachdem sie das Licht gelöscht hatte, legte sie sich, ohne sich auszukleiden, hinein und zog die Wolldecke bis ans Kinn.
    Der Abend hatte ihr ziemlich zugesetzt. Möglicherweise waren es nicht dieselben Männer wie die beiden

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