Die Pilgerin von Montserrat
Reiter vom Donautal, vom Schwarzen Wald und dem Bodensee. Sie konnte sich auch täuschen, doch sie besaß ja offensichtlich wirklich die Gabe, bestimmte Dinge vorauszusehen. Der Anblick der beiden Männer hatte ihr Angst gemacht. Woher nur kam ihr die Stimme des einenbekannt vor? Es war eine trübe, kurze Erinnerung, aber sie kam einfach nicht darauf.
Über diesen Gedanken schlief sie ein.
Plötzlich schreckte Teresa hoch. Hatte ein Geräusch sie geweckt? Alles war ruhig. Im Zimmer breitete sich Dunkelheit aus. Durch das Fenster, vor dem Gitter angebracht waren, sah sie den halben Mond, davor einen schwarzen Schatten. Es sah aus wie eine … Fledermaus! Sie richtete sich auf. Waren da nicht leise schlurfende Schritte auf dem Gang? Waren die Reiter zurückgekommen, um sie in ihren Betten zu töten? Teresa fühlte sich starr vor Entsetzen. Dann gab sie sich einen Ruck und schlüpfte leise aus dem Bett. Vorsichtig spähte sie den Gang entlang. Nichts zu sehen. Die Tür zum Zimmer von Froben und Markus stand angelehnt. Teresa nahm all ihren Mut zusammen und schaute durch den Türspalt. Im verschwommenen Licht des Mondes erkannte sie zwei Gestalten, die sich über ein Bett beugten. Eine von ihnen hob die Hand. Blitzte ein Dolch auf?
»Halt!«, rief sie, so laut sie konnte. »Zu Hilfe – wir werden überfallen!«
Es ging ganz schnell. Die Gestalten wandten sich um und rannten auf sie zu. Beim Näherkommen roch sie den Bieratem der beiden. Sie wurde grob zur Seite gestoßen und fiel zu Boden. Über den Gang entfernten sich schnell trappelnde Schritte.
»Was ist denn hier los?«, erklang die Stimme ihres Vaters.
»Teresa, bist du unversehrt?«, fragte Markus verschlafen vom anderen Bett her.
Es gefällt mir, dass er im Augenblick höchster Gefahr an mein Wohlergehen denkt, ging es ihr durch den Kopf.
»Ihr wurdet überfallen!«, rief Teresa. »Ich habe Schritte im Gang gehört und bin aufgestanden und ihnen nachgegangen.«
»Hast wohl gedacht, es wären die beiden Fremden aus der Gaststube?«, meinte Froben.
»Was ist denn passiert? Haben sie etwas gestohlen?«
Froben hantierte im Dunkeln mit Zunderschwamm und Feuerstein,die er immer bei sich trug. Eine Flamme leuchtete auf, und er zündete den Kienspan an. Er tat einen schnellen Griff unter sein Kopfkissen.
»Die Geldkatze ist noch da, an die sind sie nicht herangekommen«, meinte er mit einem zufriedenen Lächeln.
»Ich weiß, wer es war«, sagte Teresa. »Es waren die beiden Trunkenbolde, die an unserem Nachbartisch saßen. Ich habe sie an ihre Ausdünstungen und ihren fetten Leibern erkannt.«
»Die werden sich so schnell nicht wieder herwagen«, meinte Markus. »Wir werden sie Morgen beim Dorfbüttel zur Anzeige bringen. Und jetzt lasst uns weiterschlafen! Wir brauchen unsere Kraft für den Ritt nach Einsiedeln.«
Teresa mochte seine Art, so natürlich mit den Dingen umzugehen. Sie wünschte den beiden eine gute Nacht und ging in ihr Zimmer zurück.
14.
Nachdem sie die beiden Einbrecher beim Wirt angezeigt hatten, brachen sie auf zu einem weiteren Tagesritt. Bis zum Kloster Einsiedeln würden sie es an diesem Tag nicht mehr schaffen. Über die nächtlichen Ereignisse verloren sie keine Worte mehr. Es war frostig kühl. Auf dem Gras und den Bäumen hatte sich Reif gebildet. Die sanften Hügel wichen allmählich immer höheren Bergen. Auf ihren Häuptern lag das ewige Eis. Unterwegs trafen sie nur wenige Pilger, zu Fuß oder zu Pferde, die wie sie auf dem Jakobsweg unterwegs waren. Die Zeit der Reformation und der Kriege habe die Pilgerfreudigkeit der Menschen ermüdet, wurde ihnen gesagt. Sie verzehrten die Vorräte, die sie beim Wirt gekauft hatten, schliefen bei einem Bauern im Stroh und gelangten nach einem weiteren Tagesritt nach Rapperswil an den blauen Wassern des Zürichsees, umgeben von schneebedeckten Bergen.
Über einen Pilgersteg ging es hinüber nach Pfäffikon und von dort zum Kloster Einsiedeln. Vorbei an der hölzernen Brücke und dem Geburtshaus des Arztes Paracelsus gelangten sie zum Tor des Klosters. Auf dem Platz vor den Konventsgebäuden drängelten sich die Menschen. Mit Müh und Not erreichte Froben, dass sie in einer der Gemeinschaftsunterkünfte schlafen konnten. Die Nacht verlief ruhig, auch wenn sich Teresa wegen der schnarchenden Frauen Stofffetzen in die Ohren stopfen musste.
Am Morgen bemerkte sie einen kleinen Einstich im Oberarm, dessen Umgebung gerötet war. O Gott, Flöhe, dachte sie entsetzt. Ich werde mich bald
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