Die Pilgerin von Montserrat
einmal gründlich waschen müssen.
Ein Blick zum Himmel zeigte ihr, dass es wieder ein herbstlich warmer Tag werden würde. Bevor sie zum Vierwaldstätter See aufbrachen, besuchten sie die Schwarze Madonna von Einsiedelnin der Gnadenkapelle. In einem Strahlenkranz aus vergoldeten Schnitzereien, die wie Speere oder Blitze anmuteten, schwebte die Madonna gleichsam in einem Kleid aus weißem Taft, das mit Stickereien verziert war. In der rechten Hand hielt sie einen goldenen Stab und einen Rosenkranz, in der Linken das Jesuskind, dessen Gesicht ebenfalls schwarz und das eines erwachsenen Mannes war. Er blickte am Betrachter vorbei in die Ferne, in der Hand hielt er einen Apfel.
Teresa hatte noch nie etwas so Schönes gesehen. »Was hat die schwarze Farbe zu bedeuten?«, fragte sie ihre Begleiter.
»Es ist keine Muttergottes, wie wir sie kennen«, antwortete Froben. »Und die Farbe ist auch nicht aufgemalt oder kommt vom Ruß der Kerzen, wie oft behauptet wird. Dies ist eine Schwarze Madonna, wie sie schon in früheren Kulturen verehrt wurde, mit Namen Isis, Kybele, Astarte oder Artemis.«
»Eine heidnische Göttin?«, fragte Teresa erstaunt.
»Sie waren Göttinnen der Fruchtbarkeit und der Liebe«, warf Markus ein. »Auch der Apfel in der Hand des Jesuskindes ist ein solches Symbol. Die ersten Schwarzen Madonnen wurden nach den Kreuzzügen nach Frankreich gebracht, dabei spielte der Templerorden eine Rolle.«
Teresa senkte die Stimme noch mehr. »Könnte es sein, dass …«
Froben lachte. »Nein, mit unseren Reitern haben die ganz gewiss nichts zu tun. Und auch mit dem Kandelaber nicht. Der Templerorden entstand erst im Jahr 1119, und er war zum Schutz der Pilger vor den Sarazenen eingesetzt worden, die zu den heiligen Stätten wollten. Die Kreuzfahrer waren ja nach Hause zu ihren Familien zurückgekehrt.«
»Wie Friedrich von Wildenberg«, sagte Teresa versonnen. »Nur ist er nicht zur Ruhe gekommen. Er musste ja noch einmal ins Heilige Land zurück.«
»Und es warteten keine Familie und keine Frau auf ihn«, setzte Markus hinzu.
»Wir folgen wahrscheinlich seinen Spuren«, meinte Froben. »Ichbin mir sicher, dass er wie viele der damaligen Pilger den Weg durch das Land der Eidgenossen genommen hat.«
Teresa sagte: »Ich brenne darauf weiterzureiten! Es ist alles so neu für mich; ich freue mich über jeden Baum am Wegrand, über jede Kapelle und Einsiedelei, über jeden Vogel, dessen Gesang aus den Wäldern tönt.«
»Du bist ja richtig poetisch, Teresa«, meinte Markus.
Teresa errötete. »Ich kann auch richtig bodenständig sein«, erwiderte sie. »Haben wir genügend Wegzehrung dabei?«
»Es reicht für heute«, antwortete ihr Vater. »Du wirst nicht hungern müssen.«
Sie holten ihre Pferde aus dem Stall. Teresas Brauner sah gut genährt und frisch gestriegelt aus, aber der Federschopf auf seinem Kopf hing traurig herunter. Teresa nahm ihn ab und gab ihn einem der Stallknechte.
Wieder einmal brachen sie auf nach Süden, in unbekannte Gegenden. Die Sonne schien wärmend auf sie herab, aus der Ferne grüßten der Säntis und andere hohe Berge. Mittags rasteten sie im Schatten einer Eiche. Während Froben das Essen zubereitete, ging Teresa zu einem Bach, um sich zu waschen. Der Wasserlauf lief glucksend durch eine Wiese und war von Kopfweiden umstanden. Hinter einem der Bäume zog sie sich aus, nahm ein Handtuch aus ihrem Beutel und machte es nass. Vorsichtig schaute sie sich um, ob sie nicht beobachtet würde. Wie gut es war, die Sonne auf der Haut zu spüren! Sie wusch sich, so gut es eben ging, und kleidete sich wieder an. Als sie zum Lagerplatz zurückging, sah sie Markus unter einem Baum sitzen und gleichmütig in eine andere Richtung blicken.
»Hast du mich etwa beobachtet«, fragte sie.
Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln.
»Nein, so etwas tut ein Mönch nicht, ich habe schließlich außer Armut auch Keuschheit geschworen.«
Schade eigentlich, dachte Teresa.
»Ich wollte dich nur im Auge behalten. Schließlich bist du schonmehrmals fast Opfer von merkwürdigen Reitern geworden. Aber ich habe nur auf die Umgebung geachtet.«
Das wirst du gerade gemacht haben, so unschuldig, wie du tust.
»Wo seid ihr denn so lange geblieben?«, fuhr Froben sie an. Er hatte eine Decke ausgebreitet, auf der Brot, Wurst und Käse lagen, dazu ein Lederbeutel mit Wein.
»Du kannst mir noch Wasser vom Bach holen«, wies er Markus an.
Was war nur mit ihm los? So aufgebracht kannte Teresa ihn gar nicht.
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