Die Pilgerin von Montserrat
die Wette. Teresa dachte über den Weg nach, dem sie folgten, an das Ziel. Woher komme ich, wohin gehen wir? Was ist das für eine Reliquie, der wir so bedingungslos nachlaufen? Aber ich kann, wir können nicht mehr zurück, haben uns schon viel zuweit vorgewagt und viel zu weit entfernt von dem, was einmal war. Ich habe einen Freund gewonnen, von dem ich noch nicht weiß, was er mir wirklich bedeutet. Ich habe die Gelegenheit erhalten, in die Welt hinauszuziehen und fremde Länder kennenzulernen.
Am anderen Morgen erwachte Teresa von einem gleichmäßigen Plätschern. Ach du mein Gott, es wird doch nicht regnen, dachte sie. Doch es war so. Von ihrem Tisch im Pilgerraum blickte sie in eine trübe, herabfließende Masse, hinter der die Berge wie hinter einer Wand verschwammen. Sie schaute verdutzt auf das dunkle Brot, das der Herbergswirt ihnen hinstellte.
»Das weiße Brot ist schon verdorben«, sagte der Wirt mit verlegener Miene. »Und das dunkle ist auch viel nahrhafter.«
17.
Sie verließen die Stadt durch das südliche Tor und ritten am See entlang. Das Fortkommen war unendlich schwierig auf dem morastigen Boden. Trotz ihres Mantels und des Schleiers war Teresa bald völlig durchnässt. Bis zum Mittag ging es immer bergauf und bergab durch strömenden Regen, auf Wegen, in deren Morast die Hufe der Pferde tief einsanken.
Bald waren nicht nur die Tiere, sondern auch sie selbst über und über mit Dreck bespritzt. Warum nur habe ich mich auf diese furchtbare Reise eingelassen? dachte Teresa.
Nachdem sie einen kleineren Pass überquert hatten, zerriss endlich ein Sonnenstrahl die Wolken. Teresa konnte erkennen, durch was für ein Gelände sie sich bewegten. Der Weg ging nun ziemlich steil bergab; es waren noch Stufen des alten Pilgerpfades zu erkennen. Sie stiegen ab und führten die Tiere hinter sich her. Am Wegesrand wuchsen Krüppelkiefern und Besenheide. Die Pferde dampften und schnaubten. Mühsam kletterten sie von der Passhöhe hinunter und kamen in ein Flusstal. Wegen der Niederschläge war das Wasser stark angestiegen und schoss weißschäumend dahin. Froben schlug vor, eine Rast einzulegen. An dieser Stelle war der Fluss nicht über sein Ufer getreten und ließ eine Bank von angeschwemmtem weißen Sand frei. Bald danach eilte er in seinem schäumenden Bett nach Süden, eingefasst von Uferweiden und Erlen. Dahinter ragten die Berge der Haute Provence in den Himmel.
Teresa steckte ihre Hand in den Fluss und zuckte zurück. Es sei Gletscherwasser, erklärte Froben, aber so sauber, dass sie damit ihre Kalebassen füllen konnten. Sie packten ihr Mittagsbrot aus, und Teresa setzte sich auf einen Stein, den sie mit einem Tuch gegen die Nässe bedeckte. Nach dem Essen wusch sie ihre Hände imFluss und folgte einer Quelle, die sich durch eine Wiese mit dichtem, hohem Gras schlängelte. Die Sonne beschien eine Libelle, deren Flügel durchsichtig blau schimmerten. Vom Fluss her drang ein heiserer Schrei. Erschrocken drehte sie sich um. Drei wilde Gestalten stürmten auf das Ufer, geradewegs auf Froben und Markus zu. Die erhoben sich sofort, eilten zu den Pferden und griffen zu ihren Schwertern.
Einen Augenblick lang überlegte Teresa, ob sie sich im hohen Gras verstecken oder den beiden zu Hilfe eilen sollte. Wie konnte eine Frau schon in einer solchen Situation helfen? Sie hatte zwar das Schwert bei sich und auch einen Dolch im Gewand, aber sie wusste nicht damit umzugehen. Sie eilte zum Fluss. Froben und Markus waren in Schwertkämpfe mit den Räubern verwickelt, die sich mit Knüppeln, Messern und einem Morgenstern bewaffnet hatten. Teresa schauderte, so tödlich war diese Waffe – eine Kugel mit Eisenspitzen, die an einer Kette geschleudert wurde. Der Kampf währte nicht lange. Markus und Froben sorgten dafür, dass der Morgenstern gar nicht erst zum Einsatz kam, schlugen den Männern Knüppel und Messer aus der Hand und verletzten sie so, dass zwei am Boden liegen blieben. Der Dritte entkam laut heulend über die Wiese.
»Die werden sich nicht noch einmal an uns heranwagen«, sagte Froben und ging zum Fluss, um sein Schwert abzuwaschen.
Markus, dieser Mönch, war nicht nur ein Mann des Wortes, sondern auch der Tat.
»Wo hast du denn kämpfen gelernt?«, fragte Teresa ihn.
»Gelernt habe ich es eigentlich nicht. Ich habe mit den anderen Bauernkindern Ritter gespielt.«
»Dafür kannst du es aber richtig gut«, meinte Froben anerkennend.
Sie packten ihre Sachen zusammen und ließen die Verletzten
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