Die Pilgerin von Montserrat
liegen.
»Wir sagen im nächsten Dorf Bescheid, dann können die Leute selbst entscheiden, ob sie solchen Wegelagerern helfen wollen«, kam es von Markus.
Im kalten Nieselregen setzten sie ihren Weg fort, der wegen des Wetters und der Unterbrechungen nur bis Chambery führte. Dort kamen sie in einer der verlassenen Pilgerherbergen unter. Teresa hatte Mühe, sich selbst, ihre Kleider und die der Männer vom Schmutz des Tages zu befreien und sie am Kamin in der Pilgerstube zu trocknen.
Das anhaltend schöne Spätherbstwetter ermöglichte es ihnen, innerhalb von vier Tagen die Strecke über Grenoble und Serre bis Sisteron hinter sich zu bringen. Die höheren Regionen der Berge waren kahl, aber unten am Weg, auf den noch grünen Matten sah Teresa Herbstenzian und Kratzdisteln stehen. Immer wieder säumten Burgen und Klöster den Weg. In den Kurven lagerte das Gestein in gelbbräunlichen Farben über den Bächen und Flüssen, manchmal von einem windschiefen Tannenbäumchen gekrönt. Dohlen flatterten klagend auf, wenn sie sich näherten, und ganz oben im klaren Himmel kreisten die Steinadler und Gänsegeier.
Im Tal der Durance begegneten sie einigen Schafherden. Die halb ausgewachsenen Lämmer tollten herum, vom Hütehund in Schach gehalten. Von Sisteron aus mit seinem Häuser- und Dächergewirr konnten sie die Landschaft der Haute Provence überblicken. Schon von weitem sah Teresa den kahlen Gipfel des Mont Ventoux, des »windigen Berges«, aus den Weinbergen ragen. Entlang des Weges und an den Hängen wuchs wilder Lavendel, der in Destillerien zu Öl gepresst wurde. Die Luft war sehr klar, wie spiegelnd. Die Sonne schien, jedoch wehte ein eiskalter Wind. Über Sault und Montbrun-les-Bains erreichten sie am späten Nachmittag den Flecken Malaucène. Durch die Porte du Roux, die rote Pforte, gelangten sie in den Ort hinein. Sie kehrten in einem Gasthaus namens L e Prieuré ein, das wie die anderen Häuser aus dem gelblichen Sandstein der Umgebung erbaut war . Teresa warf einen Blick aus dem Fenster. Weinreben, so weit das Auge reichte, dahinter die Berge, die im abendlichen Dunst verschwammen, und kleine Ortschaften, die auf ihren Hügeln thronten.
Als Teresa in die Gaststube trat, wehten ihr Lärm und der Duftnach südlichen Kräutern entgegen. Der halbe Ort schien sich heute Abend hier versammelt zu haben. Sie konnte die Sprache nicht verstehen, fand die nasalen Laute aber schön. Die Wirtin, eine schlanke, schwarzhaarige Frau mit gerüschtem Leinenkleid und geblümter Schürze, trug verschiedene dampfende Gerichte zu den Tischen, an denen die aufgeregten und lustigen Stimmen dann bald einem gedämpften Schmatzen wichen. Es roch nach Wein, Knoblauch und Zwiebeln. Teresa setzte sich zu Froben und Markus an einen Tisch.
»Que voulez-voux manger?«, sprach die Wirtin sie an.
»Was wir essen wollen?« Froben blickte die anderen fragend an.
»Ein Gericht mit Lamm«, sagte Teresa. Das hatte sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gegessen. Und wenn sie hier einen Tag oder mehrere Tage bleiben sollten, wusste sie schon, was sie machen wollte: sich Rezepte von der Wirtin besorgen, den Bericht von Petrarca über seine Bergbesteigung lesen, vielleicht sogar selber hinaufsteigen, sofern das Wetter es zuließ.
»Quelles menues avez-voux á offrir?«, fragte Markus.
So viel Französisch verstand Teresa: Was habt Ihr anzubieten?
»Soupe de Courge, Kürbissuppe mit Lauch, Terrine d’Anguille, Aalterrine, Gigot d’Agneau, Lammkeule mit Kräutern«, ratterte die Wirtin herunter, »Filets de lièvre au vin blanc, Hasenfilets in Weißweinsauce. Canard sauvage aux olives, Wildente mit Oliven.«
»Et pour dessert?«, wollte Teresa wissen.
»Calissons d’Aix, Mandelplätzchen aus Aix-en-Provence.«
»Pour moi, le gigot », sagte sie und leckte sich die Lippen. Markus bestellte die Ente und Froben eine Kürbissuppe mit Brot. Während des Essens sprachen sie kaum.
»Ich habe schon seit Beginn dieser Reise verlernt, was es heißt, maßvoll zu leben«, sagte Markus lächelnd. »Aus alter Gewohnheit habe ich mir ein Gericht von einem zweifüßigen Tier ausgewählt, das steckt noch drin.«
»Die Lammkeule ist äußerst delikat«, antwortete Teresa. »Riecht ihr es?«
»Sie ist mit Knoblauch, Wein und Gewürzen geschmort«, sagte die Wirtin, die gerade mit ein paar Töpfen zur Küche eilte. Sie blieb stehen. »Ich kann Euch das Rezept gern verraten«, sagte sie und blinzelte Teresa zu.
»Ich komme nachher zu Euch«, entgegnete
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