Die Pilgerin von Montserrat
Euer Luther sich von der katholischen Kirche abgewandt hat, ist ein Krieg der Religionen entbrannt. Damit haben sie sich von Gott, von der Einheit und der Liebe entfernt. Es gibt viele Gemeinsamkeiten der Religionen. Glaubt mir, dass es mich schaudert, wenn ich sehe, dass sie sich nur noch gegenseitig die Köpfe einschlagen!«
»Die Gemeinsamkeiten der jüdischen, der christlichen und der islamischen Religionen bestehen vor allem darin, dass sie nur einen Gott kennen«, entgegnete Froben. »Sie gehören zu den monotheistischen Religionen. Die umfassen auch den Gegenpart, den Teufel. Alle Naturreligionen, auch die der Römer, waren von Vielgötterei bestimmt.«
»Und die Menora könnte ein Bindeglied zwischen den Religionen sein?«, fragte Teresa.
»Ein Bindeglied und ein Objekt der Zwietracht«, gab Montaña zur Antwort. »Ebenso wie der Heilige Gral, der Kelch mit dem Blut Christi, zu Zwietracht geführt hat. Er soll hier in Montserrat verehrt worden sein, aber ebenso in San Juan de la Peña, in Santiago de Compostela und in Britannien. Außerdem soll er sich beim Schatz der Templer befunden haben, der 1244, nach der Zerstörung der Katharerburg Montségur, spurlos verschwand.«
»Die Tempelritter waren um das Jahr 1147 herum, vor dem zweiten Kreuzzug, auf der iberischen Halbinsel«, setzte Froben das Gespräch fort. »Sie wurden 1250 vom Papst dazu aufgefordert, gegen die Mauren zu kämpfen beziehungsweise den König von Aragon im Krieg gegen Navarra zu unterstützen. Sie weigerten sich, zogen aber mit in den Kreuzzug. Am 16. März 1244 wurden die Katharer am Fuß des Montségur verbrannt, und von hier sollen einige mit dem Schatz der Templer geflohen sein. Jakob von Molays, der letzte Großmeister der Templer, wurde aber erst am 18. März 1314 durch das Feuer hingerichtet. Ihre Besitztümer wurden den Johannitern sowie den neuen Christen in Spanien übergeben. Wie sollen die Katharer da an einen Schatz gelangt sein?«
»Nur die geographische Nähe der Katharerburgen und der angeblichen Aufbewahrungsorte des Heiligen Grals sprechen dafür«, sagte Montaña. »Wenn denn der Schatz aus dem Heiligen Gral bestand. Mit der Menora jedoch hat das nichts zu tun.«
24.
»Ich glaube nicht, dass es die Menora ist, die wir suchen«, stellte Teresa fest. Sie blickte aus dem Fenster der Bibliothek. Regen und Schnee wurden über die bizarren Felsformationen hinweggetrieben. »Friedrich von Wildenberg beschrieb den Kandelaber als golden, aber besetzt mit Rubinen und Edelsteinen. Er kann auch nicht so groß gewesen sein, sonst hätte er ihn nicht aus dem Felsendom herausschaffen können.«
Bruder Gabriel setzte ein feines Lächeln auf. »Es gibt da noch etwas, das mir in den vielen Stunden des Nachdenkens eingefallen ist. Das Haus, das den Templern nach dem ersten Kreuzzug zugewiesen wurde, war über den Ruinen der Al Aksa, des moslemischen Tempels, erbaut, gegenüber dem Felsendom. Wie, wenn einer der sarazenischen Sklaven aus dem Tempel die Menora in den Felsendom gebracht hätte, um sie vor den Christen zu retten? Das sind natürlich alles nur Mutmaßungen«, beeilte er sich zu versichern. »Aber nehmen wir einmal an, es sei so gewesen, dann wären die Templer die rechtmäßigen Erben der Menora, Eures Kandelabers, da ihr Gotteshaus symbolisch der zweite Tempel von Jerusalem war.«
»Manchmal sah ich die beiden Reiter in grauen Gewändern, manchmal in weißen, mit einem roten, achtwinkligen Kreuz darauf«, sinnierte Teresa. »Ich dachte, meine Wahrnehmung spielte mir einen Streich. Aber vielleicht gibt es wirklich noch Templer, die hinter ihrem rechtmäßigen Erbe her sind.«
»Die Christen haben in jener Nacht in Jerusalem ihr Anrecht auf alle Schätze der Welt verwirkt«, brummte Montaña grimmig. »So wäre es in meinen Augen nur recht und billig, wenn die Menora Friedrich zugestanden hätte und damit Euch als seinen Nachkommen.«
»Ich will vor allem weiteres Blutvergießen vermeiden«, sagte Froben. »Deshalb will ich sie unbedingt in die Hände bekommen.«
»Aber auch wegen der Chronik«, neckte Teresa ihn.
»Seid Ihr beiden Euch sicher, dass solch hehre Motive die einzigen sind, warum Ihr in den Besitz des Kleinods gelangen wollt?« Montaña blinzelte ihnen zu.
»Nun ja«, meinte Froben, »ihre wundertätigen Eigenschaften sind natürlich verlockend. Dazu noch die Aussicht, zur Wahrheit zu gelangen …«
»Ich habe noch einen weiteren Grund, den Kandelaber nach Hause bringen zu wollen«, gestand Teresa.
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